Tanz mit der Diktatur. Keine Konsequenzen aus Terror in Togo. Auswärtiges Amt zunehmend unter Druck

Beilage des NoLager-Netzwerks in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (6. April 2006)

Ist von Togo die Rede, herrscht hierzulande weitgehende Einmütigkeit. Kaum jemand bestreitet ernsthaft, dass es sich bei dem westafrikanischen Land um eine Diktatur, ja um eine autokratische Dynastie handelt. Konkret heißt das: Systematischer Wahlbetrug, weitgehende Einschränkung der Presse- und Versammlungsfreiheit sowie hemmungslose Bereicherung des Eyadéma-Clans, jener Familie, die Togo seit über 40 Jahren fest im Griff hält. Besonders dramatisch ist die Menschenrechtssituation. Sie ist gezeichnet durch das Terrorregime, mit dem Militär, Polizei und Milizen der Regierungspartei RPT die Bevölkerung seit 1967 systematisch drangsalieren. Hierzu gehören Folter, willkürliche Festnahmen, nächtliche Überfälle auf die Häuser von Oppositionellen, Vergewaltigungen, Erschießungen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Sämtliche dieser Fakten sind hinlänglich bekannt. Nichtsdestotrotz finden regelmäßig Abschiebungen nach Togo statt. Zukünftig sollen sogar all jene Flüchtlinge verstärkt abgeschoben werden, deren Asylverfahren zwar negativ verlaufen sind, die jedoch auf Grund der angespannten Situation in Togo immer wieder neue Duldungen erhalten haben, manche von ihnen seit über 10 Jahren. Hierzu passt, dass Ende April eine Togo-Sammelabschiebung per Charterflug ab Hamburg geplant ist – womöglich nur als Auftakt einer größeren Togo-Abschiebewelle.

Dass Abschiebungen nach Togo überhaupt möglich sind, hat nicht zuletzt mit den Einschätzungen zu tun, die das Auswärtige Amt in seinen regelmäßigen Lageberichten vornimmt. Danach sei zwar die Menschenrechtssituation in Togo ausgesprochen prekär, wie die Bundesregierung Mitte Januar während einer Fragestunde im Bundestag unumwunden einräumt. Und doch: Die Bitte um Asyl oder die Mitgliedschaft in einer Exilorganisation würden im Falle einer Abschiebung keine Repression nach sich ziehen, so die Bundesregierung weiter. Entsprechende Hinweise hätten sich bei näheren Nachforschungen als unbegründet erwiesen.

Diese Einschätzung ist nicht weniger als ein handfester Skandal, sie zeigt, dass das Auswärtige Amt anders als behauptet den Berichten von Menschenrechtsorganisationen keine maßgebliche Bedeutung beimisst. So hat sich der UNHCR bereits im August 2005 „bis auf weiteres für ein Moratorium der zwangsweisen Rückführungen für abgelehnte Asylsuchende nach Togo“ ausgesprochen. Hintergrund waren die dramatischen Vorkommnisse im Zuge der manipulierten Präsidentschaftswahlen im April 2005. Etwa 900 Menschen sind damals durch das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte ums Leben gekommen, 4000 wurden verletzt, mindestens 60.000 mussten in die Nachbarländer Ghana und Benin fliehen – gewaltige Zahlen für ein Land mit gerade mal 5 Millionen EinwohnerInnen. Der ehemalige Landtagspräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Hinrich Kuessner (SPD), teilt diese Einschätzung. Er ist zuletzt Anfang 2006 in Togo gewesen. Laut Kuessner könne derzeit niemand „für die Sicherheit von abgeschobenen Asylbewerbern in Togo garantieren“. Kuessner hat in Ghana unter anderem mit einem Togoer gesprochen, der am 10. Januar 2006 in Begleitung dreier Polizisten von Münschen nach Togo abgeschoben wurde. 4 Tage sei er, weiß Kuessner zu berichten, am Flughafen verhört und geschlagen worden. Kurz darauf hätten Milizen versucht, ihn im Haus seiner Familie erneut festzunehmen. Er sei nicht anzutreffen gewesen, heute halte er sich versteckt in Ghana – aus Angst vor den auch im benachbarten Ausland operierenden Milizen des togoischen Regimes. Simeon Clumson-Eklu, Vizepräsident der renomierten Togoischen Liga für Menschenrechte, warnt ebenfalls eindringlich vor Abschiebungen nach Togo. Flüchtlinge würden generell als RegimegegnerInnen betrachtet, sie liefen Gefahr, nachts von Milizen in ihren Häusern überfallen oder entführt zu werden, berichtete der inTogo selber hochgradig gefährdete Menschenrechtler Mitte Februar während einer Vortragsreise durch mehrere deutsche Städte.

Brennpunkt in Sachen Togo ist derzeit Mecklenburg-Vorpommern. Allein dort sind etwa 300 togoische Flüchtlinge akut von Abschiebung bedroht. Bekannt geworden ist vor allem der Fall Alassane Moussbaou. Für ihn hatten sich nicht nur der UNHCR, Pro Asyl und der Petetionsausschuss des Schweriner Landtags stark gemacht. Auch die an der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern beteiligte Linkspartei.PDS hatte wortreich und unter Aufbietung bundespolitischer Prominenz die Aussetzung der Abschiebung gefordert. Dennoch wurde Alassane Moussbaou am 31. Januar 2006 nach Togo abgeschoben – am 13. Tag eines Hungerstreiks, den er zusammen mit einem weiteren Flüchtling aus Togo im Abschiebeknast Bützow begonnen hatte. Als kurz darauf bekannt wurde, dass Milizen in Lomè versucht hätten, Alassane Moussbaou festzunehmen und dieser abermals ins Ausland geflohen sei, kippte die Stimmung endgültig, jetzt auch innerhalb der SPD-Landtagsfraktion. Innenminister Timm (SPD) blieb nichts anderes, als für Mecklenburg-Vorpommern einen vorläufigen Abschiebestopp nach Togo zu verhängen. Ein neuer Lagebericht des Auswärtigen Amtes sei abzuwarten, so die Devise. Ob es sich um mehr als bloße Beruhigungsrethorik handelt, ist allerdings offen. Fest steht nur, dass der neue, erst jüngst veröffentlichte Lagebericht im Kern keine Abstriche von der bislang verfolgten Linie macht.

Die Karawane, die Internationale Togo-Kampagne und das NoLager-Netzwerk betrachten Abschiebungen nach Togo als Kollaboration: Einerseits weil in jeder Abschiebung die unmittelbare Gefahr neuer Verfolgung liegt. Andererseits weil Abgeschobene, selbst wenn sie unbehelligt zurückkehren können, fortan nur um den Preis in Ruhe gelassen werden, dass sie sich den äußerst restriktiven, in jeder Hinsicht menschenverachtenden Regeln des togoischen Regimes fügen. Oder unverblümter: Wer Abschiebungen nach Togo ermöglicht (anstatt das togoische Regime auf allen nur erdenklichen Ebenen unter Druck zu setzen), macht sich unweigerlich zum Komplizen des diktatorischen Gewaltapperats. Die Debatte darf nicht bei der Frage stehen bleiben, ob und inwieweit Abgeschobenen Gefahr für Leib und Leben droht. Maxime muss vielmehr sein, ob und inwieweit grundlegende Menschen- und Bürgerrechte überhaupt Gültigkeit besitzen. Ist das wie in Togo nicht der Fall, verbieten sich Abschiebungen ganz von selbst. Dass wir uns für einen Abschiebestopp nach Togo aussprechen, steht jedoch nicht im Widerspruch dazu, dass wir uns grundsätzlich für die Rechte aller Flüchtlinge und MigrantInnen stark machen. Unser Ziel ist es, die unterschiedlichen Kämpfe zu verknüpfen. Unserer zentralen Forderungen lauten: „Für das Recht auf globale Bewegungsfreiheit“ – „Gleiche Rechte für alle“. Denn alle Menschen haben das Recht, dort zu leben, wo immer und so lange sich möchten!