Westafrika. Im Würgegriff von IWF & Co.

Beilage des NoLager-Netzwerks in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (6. April 2006)

Ist in den hiesigen Medien überhaupt von Westafrika die Rede, sind meist Menschenrechtsverletzungen oder kriegerische Auseinandersetzungen, etwa in Togo, Liberia oder der Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire), Anlass der Berichterstattung. Demgegenüber spielen ökonomische Zusammenhänge eine eher untergeordnete Rolle, allenfalls wenn die Hintergründe bewaffneter Konflikte oder wie in jüngerer Zeit verstärkter Migration ausgeleuchtet werden sollen. Das aber ist fatal, blendet doch die immer wieder vorgenommene Gleichsetzung westafrikanischer Verhältnisse mit Krieg, Elend und schierer Gewalt den Umstand aus, dass Westafrika gleichfalls – genauso wie andere Weltregionen – im Malwerk globaler, nicht zuletzt durch IWF, Weltbank und WTO gemanagter Marktverhältnisse steckt, mit katastrophalen Konsequenzen vor allem für die Masse der Bevölkerung. Einige Beispiele mögen andeuten, worum es geht:

Stichwort Baumwolle: Rund 10 Millionen Menschen, fast ausschließlich kleinbäuerliche Familien, leben in West- und Zentralafrika – unter anderem in Mali, Burkina Faso und Togo – vom Baumwollanbau. Allein: Seit 1997 ist der Weltmarktpreis für Rohbaumwolle um über 40 Prozent gefallen. Hintergrund ist, dass vor allem die USA ihre Subventionen für den heimischen Baumwollanbau zwischen 1998 und 2002 von 600 Millionen auf 3,7 Milliarden US$ erhöht und somit ihren Weltmarktanteil von 25 auf 37 Prozent gesteigert haben. Würden in den reichen Industrienationen die Baumwollsubventionen von insgesamt 4,9 Milliarden US$ gestrichen, hätte das für die eigentlich hochgradig konkurrenzfähigen Kleinbauern und -bäuerinnen in Westafrika Mehreinnahmen von mindestens 250 Millionen US$ zur Folge. Das mag wie Peanuts klingen, hieße jedoch für ein Land wie Benin, dass sich etwa 5 Prozent der Bevölkerung aus unmittelbarer Armut frei schwimmen könnte. Vergleichbare Dumping-Praktiken sind auch bei zahlreichen anderen Produkten die Regel: So ist z.B. die lokale Geflügelzucht in Togo und Gambia zwischen 1998 und 2000 um 24 bzw. 36 Prozent zurückgegangen, während im gleichen Zeitraum die dortigen Märkte mit gefrorenem, hoch subventionierten Geflügelexporten aus der EU überschwemmt wurden.

Stichwort Marktöffnungen: Dass viele westafrikanische Länder überhaupt ihre Zollschranken gesenkt und somit den reichen Industrieländern Zugang zu ihren Märkten gewährt haben, ist nicht zuletzt die Folge so genannter Strukturanpassungsprogramme. Hierbei handelt es sich um Auflagen, deren Erfüllung der IWF zur Voraussetzung macht, hochverschuldeten Ländern neue Kredite (die meist nur der Zinsentilgung dienen) zur Verfügung zu stellen. Heute wollen die reichen Industrieländer innerhalb der WTO das vom IWF in den 1980er Jahren begonnene Werk vollenden. So fordern sie insbesondere eine weitgehende Öffnung der globalen Märkte für Industrieprodukte, gleichwohl hinreichend bekannt ist, dass die Industrien unter anderem in westafrikanischen Ländern dem Konkurrenzdruck aus dem Norden nicht standhalten könnten. So brach die Chemie-, Textil- und Automobilproduktion in Côte d’Ivoire weitgehend zusammen, als 1986 die Importzölle um 40 Prozent gesenkt werden mussten.

Stichwort IWF: Dieser ist auch für viele weitere, teils schwer wiegende Fehlentwicklungen verantwortlich. So sind z.B. auf sein Geheiß Konzessionen für den Abbau von Rohstoffen regelmäßig zu vollkommen unterteuerten Preisen an private Unternehmen aus den Industrieländern verscherbelt worden. Auch hat der IWF den Abbau staatlicher Subventionen z.B. für Grundnahrungsmittel oder Brennstoffe zur obligatorischen Auflage gemacht. Ein willkommener Anlass für korrupte Regime, das zu tun – und außerdem öffentlich rechtfertigen zu können, wonach ihnen ohnehin gewesen ist. Es kann deshalb auch nicht verwundern, dass der einstmalige IWF-Musterschüler Togo heute am Rande des sozialen und wirtschaftlichen Ruins steht.