Koloniales Erbe. Stichworte zum Tuaregkonflikt in Mali

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (8. Dezember 2012)

Seit militante Islamisten im Juni diesen Jahres die Macht im gesamten Norden Malis erobert haben, sitzt der Schock tief. Denn Salafismus und Fundamentalismus haben bislang im traditionell toleranten, stark von sufistischer Mystik geprägten Islam des westafrikanischen Landes so gut wie keine soziale Basis. Entsprechend groß ist unter der überwiegend muslimischen Bevölkerung der Wunsch, das mit skrupelloser Brutalität durchgesetzte Scharia-Joch baldmöglichst wieder abzuschütteln. Gleichwohl sollte hierzulande der seit der Unabhängigkeit 1960 ungelöste Konflikt zwischen Tuareg-Bevölkerung im Norden und Zentralregierung in Bamako nicht aus dem Blick geraten. Denn unstrittig ist, dass die Islamisten – unter ihnen die Al Qaida des Maghreb – ohne den Aufstand der zunächst mit ihnen verbündeten Tuareg-Rebellen nie ein Gebiet von der Größe Frankreichs unter ihre Kontrolle gebracht hätten (vgl. Infobox).

Weiterlesen

„Y en a marre!“. Wie ECOWAS und EU den demokratischen Aufbruch in Mali blockieren

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (8. Dezember 2012)

Das Panorama des globalen Widerstands ist zweifellos beeindruckend: Nicht nur in Südeuropa oder der arabischen Welt, auch im Afrika südlich der Sahara haben in den letzten zwei Jahren in mindestens 15 Ländern Massenproteste oder Aufstände stattgefunden – nicht selten unter dem von jugendlichen DemonstrantInnen in Senegal geprägten Slogan „Y en a marre“ (in etwa: Das Maß ist voll). Programmatischer Dreh- und Angelpunkt ist hierbei insbesondere die kollektiv geteilte Erfahrung gewesen, wonach neoliberale IWF-Strukturanpassungsprogramme und Freihandelspolitiken in den vergangenen 30 Jahren viele jener Erfolge im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich zunichte gemacht haben, die in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit mühsam erzielt werden konnten.

Weiterlesen

„Wir sind da, wir stehen auf, wir gehen los.“ Soziale Bewegungen in Mali kämpfen um nicht weniger als die Macht

ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 578 / 21.12.2012

Anfang 2011 brach im Norden Malis ein Aufstand der Tuareg aus. Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Tuareg im Juni von islamistischen Milizen besiegt, die ihrerseits ein brutales Scharia-Regime errichtet haben. Gleichzeitig ringen in Bamako alte Eliten und soziale Bewegungen um die Macht. ak sprach mit Ousamane Diarra aus Bamako über die aktuelle Dreifachkrise.

Es heißt, dass der Putsch gegen den bisherigen Präsidenten Amadou Toumani Touré (ATT) am 22. März breite Unterstützung in der Bevölkerung gefunden hat. Kannst du das bestätigen?

Ousmane Diarra: Auf jeden Fall! Ich habe alte Mütterchen gesehen, die Salat und Tomaten auf dem Markt verkaufen, auch die haben sich riesig gefreut, dass ATT weg ist. Die Leute haben getanzt, überall wird diskutiert, was jetzt kommen wird. Das Land war im Chaos, aber den Politikern ging es nur darum, ihren Platz zu behaupten, um die eigenen Interessen zu bedienen. Trotzdem muss man berücksichtigen, dass sich nicht alle an den Aktionen und Versammlungen beteiligen können, einfach weil sie ums alltägliche Überleben kämpfen müssen, was heute länger dauert und schwieriger ist als früher.

Weiterlesen