Widerstandsgeschichten. Das Refugee Tribunal machte deutlich, wie sehr die aktuellen Flüchtlingsproteste auf früheren Kämpfen aufbauen
ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 586 / 17.09.2013
„Vereint gegen koloniales Unrecht“ – so lautete das programmatische Motto eines internationalen Flüchtlingstribunals gegen die Bundesrepublik Deutschland im Juni 2013 in Berlin. Die viertägige Veranstaltung auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg wurde maßgeblich von der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen organisiert – unterstützt von weiteren Akteuren wie der Föderation der ArbeitsmigrantInnen in Deutschland (AGIF), der Initiative Christy Schwundeck oder dem transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact. Ziel des Tribunals war nicht, innerhalb kürzester Zeit zu einem Urteilsspruch zu gelangen. Vielmehr sollte eine Plattform geschaffen werden, die es Flüchtlingen erlaubt, öffentlich über ihre Erfahrungen mit der Wirtschafts-, Kriegs- oder Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik Deutschland zu sprechen. Und zwar als Auftakt eines langfristig angelegten Prozesses, in dessen Verlauf weitere ZeugInnenaussagen gesammelt und schrittweise zu einer gut dokumentierten Anklage verdichtet werden sollen – inklusive abschließender, ebenfalls öffentlich durchgeführter Urteilsfindung.
Konkret hat sich das Tribunal mit rund 500 TeilnehmerInnen als gewaltiges Kaleidoskop unterschiedlichster, bisweilen hochgradig verstörender (Gewalt-)Erfahrungen erwiesen. Oszillierend zwischen Vergangenheit und Gegenwart sind dabei zahlreiche Kontinuitätslinien zu Tage getreten – in sachlicher wie widerständiger Hinsicht. Es liegt insofern auf der Hand, das Tribunal auch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die aktuellen Flüchtlingsproteste näher zu betrachten, nicht zuletzt um einer gewissen Geschichtslosigkeit entgegenzuwirken, welche in dem seit anderthalb Jahren währenden Protestzyklus allenthalben anzutreffen ist. Einziger Haken: Die im Zuge des Tribunals zur Sprache gekommenen Themen reichen von einzelnen Länderanalysen über Erfahrungen im Transit an den Außengrenzen der Festung Europa bis zur mangelhaften Gesundheitsversorgung in etlichen Landkreisen quer durch Deutschland. Eine thematisch vollständige Aufbereitung des Tribunals ist an dieser Stelle also nicht möglich, vielmehr müssen einzelne Stichworte als roter Faden fungieren:
Weiterlesen