Abschiebung

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (8. Dezember 2016)

Dass die Abschiebezahlen weiterhin steigen sollen, daran lässt die große Koalition in Berlin derzeit keinen Zweifel. Das aber ist gar nicht so einfach. Denn viele Migrant_innen und Geflüchtete legen nach ihrer Ankunft in Europa keinen Pass vor – teils, weil sie nie einen besessen oder ihn verloren haben, teils, weil sie nicht an ihrer eigenen Abschiebung mitwirken wollen. Die europäischen Behörden lassen deshalb nichts unversucht, Passersatzdokumente zu organisieren, auch bekannt als “traveling certificates” bzw. “laisser passer”. Verantwortlich hierfür sind die Botschaften oder Regierungsbehörden der mutmaßlichen Herkunftsländer, die gegen stattliche Geldsummen die (angebliche) Herkunft und Identität einer Person bestätigen und auf dieser Grundlage Passersatzpapiere zum Zwecke der Abschiebung ausstellen. Diese Verfahren zur Identitätsfeststellung sind freilich extrem intransparent.

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Grenzregime als Fluchtursache. Wie Abschottungspolitik afrikanische Länder destabilisiert

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (8. Dezember 2016)

Die Zustimmungsraten zu einer humanitären Asyl- und Migrationspolitik sind in Deutschland dramatisch eingebrochen. Hierzu passt, dass die Bundesregierung in den vergangenen 12 Monaten ihre zahllosen, eng mit der EU abgestimmten Abschottungsmaßnahmen gegen Geflüchtete vergleichsweise geräuscharm durchsetzen konnte. Spürbar ist dies bereits im November 2015 anlässlich des afrikanisch-europäischen Migrationsgipfel in Maltas Hauptstadt Valletta geworden. Damals verpflichtete sich Europa, die grotesk niedrige Summe von 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, um Fluchtursachen in Afrika zu „bekämpfen“. Im Gegenzug sollten sich die afrikanischen Länder bereit erklären, Abschiebungen aus Europa zu akzeptieren und Geflüchtete Richtung Norden bereits frühzeitig auf dem afrikanischen Kontinent abzufangen.

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Keine einfachen Antworten. Stichworte zum Verhältnis von Migration und Entwicklung

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (8. Dezember 2016)

Ob Migrant_innen der Entwicklung ihrer Länder nutzen oder schaden, ist schon lange Gegenstand kontroverser Debatten – nicht nur in Europa, sondern auch innerhalb der afrikanischen Zivilgesellschaft. Dennoch hat die Frage seit vergangenem Jahr erheblich an Brisanz gewonnen. Migrationspolitisch setzt die EU mehr denn je auf Abschottung, negative Auswirkungen auf die Herkunftsländer von Migrant_innen werden weitgehend ausgeblendet (> S. 1). Gleichzeitig geht Europa davon aus, so genannte Fluchtursachen gezielt bekämpfen und somit junge Menschen von der Migration abhalten zu können.

Beides scheint freilich einigermaßen weltfremd: Zum einen haben die vergangenen zwei Jahrzehnte hinlänglich gezeigt, dass sich potentielle Migrant_innen nicht so sehr an abschreckenden Beispielen orientieren, sondern an Erfolgsgeschichten, sprich: an jenen Migrant_innen, die es bereits geschafft haben. Der immer wieder propagierte Slogan „Europa oder der Tod“ ist ein beredtes Zeugnis dieser Haltung. Zum anderen ist aus zahlreichen Ländern bekannt, dass gesellschaftlicher Fortschritt Migrationsbewegungen in einem ersten Schritt anwachsen, nicht zurückgehen lässt. In der Forschung ist deshalb von einem so genannten „Migrationsbuckel“ die Rede: Erst wenn ein jährliches Bruttonationaleinkommen von rund 4.000 Euro pro Kopf erreicht ist (wovon die meisten afrikanischen Länder nur träumen können) nimmt die generelle Bereitschaft zur Migration wieder ab. Migration aus dem Süden dürfte also auf absehbare Zeit ein zentraler Faktor bleiben, ihr Verhältnis zu Entwicklungsfragen ist deshalb für alle Beteiligten von hoher Bedeutung.

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Mit Zuckerbrot und Peitsche. Valletta-Prozess zwingt Afrika zu repressiver Grenzpolitik

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (8. Dezember 2016)

Wie so oft hat den Anfang ein kurzes Handyvideo auf facebook gemacht. Zu sehen ist ein Mann, der sichtlich erschöpft auf einem Flugzeugsitz kauert. Polizisten in Zivil bedrängen ihn, Passagiere fordern lautstark „Keine Gewalt“. Der Mann – sein Name ist Amadou Ba – sollte am 27. Oktober 2016 von Deutschland nach Mali abgeschoben werden. Doch die Abschiebung scheiterte, ein zweites Video zeigt, wie Amadou Ba auf dem Rollfeld in Paris abgeführt wird, auch in dieser Szene rufen Passagiere empört, dass sich Gewalt in Frankreich verbiete. Seitdem sitzt Amadou Ba in Frankfurt am Main im Gefängnis. Ein zweiter Abschiebetermin ist für den 17. Februar 2017 anberaumt, vorher soll er noch wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht gestellt werden.

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