Abschiebung
Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (8. Dezember 2016)
Dass die Abschiebezahlen weiterhin steigen sollen, daran lässt die große Koalition in Berlin derzeit keinen Zweifel. Das aber ist gar nicht so einfach. Denn viele Migrant_innen und Geflüchtete legen nach ihrer Ankunft in Europa keinen Pass vor – teils, weil sie nie einen besessen oder ihn verloren haben, teils, weil sie nicht an ihrer eigenen Abschiebung mitwirken wollen. Die europäischen Behörden lassen deshalb nichts unversucht, Passersatzdokumente zu organisieren, auch bekannt als “traveling certificates” bzw. “laisser passer”. Verantwortlich hierfür sind die Botschaften oder Regierungsbehörden der mutmaßlichen Herkunftsländer, die gegen stattliche Geldsummen die (angebliche) Herkunft und Identität einer Person bestätigen und auf dieser Grundlage Passersatzpapiere zum Zwecke der Abschiebung ausstellen. Diese Verfahren zur Identitätsfeststellung sind freilich extrem intransparent.
Schlimmer noch: Sie können noch nicht einmal vor einem deutschen Gericht angefochten werden, denn juristisch handelt es sich um den Verwaltungsvorgang eines anderen Staats. Was das praktisch heißt, hat sich vom 21. bis 24. November 2016 in Halle gezeigt: 118 Personen aus mehreren Bundesländern hatten die amtliche Aufforderung erhalten, bei einer aus Mali eingeflogenen Identifizierungskommission vorzusprechen. Viele der Betroffenen wussten nicht, worum es geht, andere wurden in Handschellen vorgeführt. Während der kurzen Gespräche sollten die Vorgeladenen Papiere unterschreiben, die sie nicht verstanden. Anderen wurde erzählt, dass es lediglich darum ginge, jene Kriminellen auszufiltern, die mit falschen malischen Pässen Drogen verkaufen und das Ansehen Malis im Ausland beschädigen würden. Zu solchen Irreführungsstrategien passte, dass auch von offizieller Seite keine verbindlichen Auskünfte zu kriegen waren: Die Botschaft meinte, sie wisse von nichts, während malische Regierungsbehörden unter Verweis auf staatliche Interessen jede Information verweigerten. Vor diesem Hintergrund hat Afrique-Europe-Interact sowohl in Mali als auch hierzulande mehrfach demonstriert – samt Radiosendungen in Mali, bei denen Aktivist_innen aus Europa via Telefon zugeschaltet waren. Erfreulich war insofern, dass viele die Warnungen im Vorfeld ernst genommen und die Anhörung boykottiert haben. Gleichwohl sollen von 43 Erschienenen 10 als Malier_innen identifiziert worden sein.