Diskrete Nähe. Kamerun: Nachsicht für Langzeitautokrat
Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (06. Dezember 2019)
In Europa gehört es zum guten Ton, Korruption, Vetternwirtschaft und Missmanagement in afrikanischen Ländern anzuprangern. Prinzipiell ist das gerechtfertigt, denn niemand bestreitet, dass schlechte Regierungsführung eines der Kernprobleme in vielen Teilen Afrikas darstellt. Problematisch ist jedoch, dass diese Kritik europäische Regierungen nicht davon abhält, mit autoritären oder diktatorischen Regimen eng zusammenzuarbeiten. Hintergrund sind meist wirtschaftliche, migrationspolitische oder geostrategische Interessen. Zu den bekanntesten Beispielen zählt Kamerun, weshalb Afrique-Europe-Interact bereits seit mehreren Jahren die Arbeit der kamerunischen Exilopposition in Europa unterstützt.
Am 11. Oktober 2018 hat der Deutsche Bundestag über Kamerun debattiert. Aufhänger war die Eskalation des Konflikts zwischen englischsprachiger Minderheit im Westen des Landes und der französischsprachigen Zentralregierung. Dabei überraschte die vergleichsweise große Einigkeit, was den grundlegenden Charakter des Regimes betrifft. Der grüne Abgeordnete Uwe Kekeritz sprach sogar von „Staatsterrorismus“. Mit ähnlichem Tenor wurde die Lage in Kamerun am 18. April 2019 im europäischen Parlament thematisiert. In einer ungewöhnlich harschen Erklärung verurteilte das Parlament nicht nur die „Gewalttaten“ staatlicher Sicherheitskräfte. Es forderte die kamerunische Regierung auch auf, „eine echte, repräsentative und lebendige Demokratie aufzubauen“.
So weit die Theorie, die Praxis hingegen sieht anders aus. Federführend hierfür ist in Deutschland das Außenministerium, auf dessen Webseite es lapidar heißt: „Die deutsch-kamerunischen Beziehungen sind gut“. Kein Wunder also, dass die Bundesregierung am 23. Oktober 2019 im Bundestag einen von Präsident Paul Biya initiierten Dialogprozess begrüßt hat – trotz beißender Kritik seitens der kamerunischen Opposition. Zudem wurde das französische Engagement in Kamerun ausdrücklich gelobt. Spätestens dies macht die Widersprüchlichkeit des deutschen Vorgehens deutlich. Denn gerade Frankreich spielt seit Jahrzehnten eine fatale Rolle in Kamerun, worauf auch Richard Fouofié Djimeli im nebenstehenden Interview hinweist. So haben Investigativ-Journalist*innen aufgedeckt, dass eine französische Firma bis 2017 gepanzerte Fahrzeuge an die berüchtigten schnellen Einsatzkommandos („Bataillon d’intervention rapide“) der kamerunischen Armee geliefert hat – Einheiten, die immer wieder am Niederbrennen von Dörfern und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, wie eine aufwändige BBC-Recherche im Juni 2018 gezeigt hat.
Doch dies war nur der Anfang. Nachdem Paul Biya im September 2019 den seit 10 Monaten willkürlich inhaftierten Oppositionsführer Maurice Kamto freigelassen hat, zeigte sich der französische Präsident Macron demonstrativ mit dem Langzeitherrscher anlässlich einer internationalen Gesundheitskonferenz in Lyon. 12 Tage später reiste der französische Außenminister nach Kamerun und verkündete eine „Wiederbelebung der französisch-kamerunischen Beziehungen in sämtlichen Bereichen“.
Kamerun steht nicht allein. Ein ähnliches Beispiel ist Togo, wo seit 1967 durchgehend die gleiche Familie an der Macht ist. Entsprechend hat sich Afrique-Europe-Interact immer wieder mit Demonstrationen und Protestbriefen an die deutsche Bundesregierung gewandt. Freilich auch hier mit der gewohnten Reaktion: Die Probleme werden nicht bestritten, aber Togo wird eine positive Entwicklung beschieden – und das, obwohl es in dem westafrikanischen Land immer wieder zu Massenprotesten kommt, die brutal niedergeschlagenen werden. Hierzu passte, dass der deutsche Botschafter in Togo die dortigen Parlamentswahlen im Oktober 2018 gutgeheißen hat – völlig unbeeindruckt davon, dass die Wahlen von großen Teilen der Bevölkerung boykottiert wurden.
Die Situation in Ländern wie Kamerun oder Togo verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass von außen Druck ausgeübt wird. Denn es gibt Möglichkeiten zur Einflussnahme, unter anderem im Rahmen von Entwicklungspolitik. Dabei gilt es, mit Augenmaß vorzugehen. Denn nicht jede entwicklungspolitische Maßnahme ist automatisch schlecht. Gleichwohl ist es absurd, dass das deutsche Entwicklungsministerium „gute Regierungsführung“ in Kamerun fördert, während gleichzeitig Mitglieder aller im Bundestag vertretenen Parteien das autokratische Regime in Kamerun geißeln. Demgegenüber läge es ungleich näher, im Rahmen der EU Druck auf Frankreich auszuüben, endlich die jahrzehntelange Hinterhofpolitik in seinen ehemaligen Kolonien aufzugeben.
Afrique-Europe-Interact wird Anfang 2020 Proteste zu Kamerun und Togo organisieren. Auf unserer Webseite befinden sich zahlreiche Artikel, Videos und Dokumente zu beiden Ländern.