Bilderstrecken zum Buch
Im Laufe des Buches beziehe ich mich immer wieder auf konkrete Orte, die für mich in den letzten 10 Jahren – im Rahmen meiner Tätigkeit bei Afrique-Europe-Interact – eine wichtige Rolle gespielt haben. In diesem Sinne finden sich im Folgenden sechs Bilderstrecken, die ergänzend zum Buch einen visuellen Eindruck von diesen Orten vermitteln sollen – die meisten in Mali, wo ich mich am häufigsten aufhalte und wo ich bzw. meine Kolleg:innen am besten einschätzen können, in welchen Situationen es angemessen ist, Fotos zu machen (meist nur als „Schnappschüsse“ mit der Handykamera). Ich beginne absichtlich mit einer Bilderstrecke in einem Dorf namens Sokoutadala, um das es auch in der Einleitung des Buches geht. Denn obwohl „Afrika“ irrtümlicherweise primär mit Dorfleben assoziiert wird, zirkulieren hierzulande vergleichsweise wenig Bilder von Dörfern, auch deshalb, weil sich Journalist:innen, Wissenschaftler:innen oder Besucher:innen aus Europa meist nur in städtischen Gebieten aufhalten. Nach Soukoutadala folgen noch Bilderstrecken zu Bamako, zu Migration, zum Bewässerungsgebiet des Office du Niger (Mali), zu Alltagsimpressionen im Office du Niger und zu bäuerlichen Protesten.
Soukoutadala im Süden Malis
In der Regenzeit ist Soukoutadala nur auf Nebenwegen zu erreichen. Besucher:innen bringen Lebensmittel normalerweise selber mit. Idrissa Cissé, dem das Buch gewidmet ist, vor dem „Rohbau“ einer Hütte. Delegation von Afrique-Europe-Interact bei einer Besichtigungsotur durchs Dorf. Tiere laufen innerhalb des Dorfes überwiegend frei herum, gleichzeitig ist es für die Bewohner:innen eine ständige Herausforderung, mit Zäunen aus Bambus zu verhindern, dass die Tiere die dorfnahen Gärten und Felder zerstören. Am Rande des Dorfes fließt der Bafing vorbei, der unter anderem den Manantali-Stausee speist und einer der Quellflüsse des Senegal-Flusses ist. Morgentliches Teetrinken. Zusammensitzen am späten Nachmittag im Dorf, verschiedenste Bewohner:innen kommen vorbei.
Bamako (Hauptstadt von Mali)
Bamako liegt auf beiden Seiten des Nigers. Das Hochhaus ist der malische Sitz der westafrikanischen Zentralbank. Im Vordergrund ist eine Piroge zu sehen, wahrscheinlich ein Fischer. Coffee-to-go an einer mittelgroßen Verkehrsachse. Der Verkäufer ist Migrant aus der Elfenbeinküste. Auch in der Millionenmetropole Bamako gehören Tiere zum Alltag, viele Menschen halten in ihren Hinterhöfen Kühe, Schafe oder Hühner. Naturheilkundliche Apotheke: In den Flaschen ist ein Sirup, der gegen Malaria schützt. Der Sirup gewährt einen Grundschutz für vier Monate (ich habe ihn selber schon oft genutzt), doch mit 12.000 CFA (ca. 18 Euro) ist er für viele Menschen schlicht zu teuer. In den Wohnquartieren wird der Müll wahlweise mit Eselskarren abgeholt oder verbrannt. Mittlerweile gibt es auch erste kleine Müllautos. Kleinhändler:innen versorgen sich morgens auf dem Großmarkt, der am Rande des alten Stadtzentrums liegt. Großmarkt für Kleinhändler:innen. Bamako ist eine der am schnellsten wachsenden Megacities der Welt, Haupttransportmittel sind neben Mopeds Soutramas, Kleinbusse, in denen mindestens 22 Leute Platz finden, häufig auch mehr.
Migration Richtung Norden
Auf Drängen der EU haben Transitländer wie Niger oder Burkina Faso Kontrollposen errichtet, an denen die Fahrgäste von Fernbussen kontrolliert werden, um mutmaßliche Migrant:innen „rauszufiltern“ – trotz eines 1979 verabschiedeten Freizügigkeitsabkommens innerhalb der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Nachdem Niger 2015 die Beförderung, Unterbringung und Bewirtung von Migrant:innen kriminalisiert hat (gegen milliardenschwere Zusagen der EU im Rahmen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit), wurden in Agadez am Südrand der Sahara hunderte Autos von Reiseunternehmern bzw. Schleppern beschlagnahmt. EU-Hotspot Agadez: Der UNHCR (UN-Flüchtlingskomissar) lässt immer wieder Geflüchtete, die in Libyen gestrandet sind, nach Niger ausfliegen. Die meisten von ihnen kommen aus ostafrikanischen Ländern wie Somalia oder Eritrea und sollen in Agadez oder Niamey ein Asylverfahren beim UNHCR durchlaufen, um früher oder später in ein sicheres Drittland ausreisen zu können. Die Unterkunft für Geflüchtete in Agadez wurde unterdessen bei einem Sturm zerstört. Das Alarmphone Sahara in Agadez berät und unterstützt Geflüchtete und Migrant:innen, die die Wüste durchqueren wollen. Zur Arbeit des Alarmphone Sahara gehören auch Rettungseinsätze in der Wüste. Im Dezember 2018 hat die Migrant:innen-Organisation ARCOM in der marrokanischen Hauptstadt Rabat zu einer Konferenz eingeladen, auf der sich Geflüchtete und Migrant:innen aus subsaharischen Ländern über ihre Situation austauschten. Bei einem Besuch von Afrique-Europe-Interact im Jahr 2015 ín dem Dorf Balandougou im Süden Malis berichtete dieser Mann von seinem Bruder, der auf dem Weg nach Europa ums Leben gekommen ist. Bei einer Trauerkundgebung im Dezember 2015 in Kita (Mali) spricht diese Frau von ihrem im Mittelmeer verstorbenen Sohn.
Office du Niger (Mali)
Der Markala-Staudamm wurde unter Federführung der französischen Kolonialmacht zwischen 1934 und 1947 errichtet. Er sorgt dafür, dass der Pegel des Nigers um 5 Meter angehoben wird und so das Kanalsystem des Office du Niger geflutet werden kann – ein Bewässerungsgebiet mit rund 100.000 Hektar Anbaufläche für Reis und Gemüse. Das Office du Niger ist für die Ernährungssicherung in Mali elementar, potentiell könnten bis zu 1 Mio. Hektar bewässert werden. Das Denkmal erinnert an die unzähligen Zwangsarbeiter, die beim Bau des Markala-Staudamms ums Leben gekommen sind. Häufig waren bis zu 8.000 Zwangsarbeiter gleichzeitig beschäftigt, viele stammten aus dem 400 Kilometer entfernten Siedlungsgebiet der Mossi im heutigen Burkina Faso. Die Verwaltung des Office du Niger ist in Ségou in unmittelbarer Nähe des Office du Niger angesiedelt. Sie residiert in jenem Gebäude, wo bereits die Kolonialherren saßen, was insofern bezeichnend ist, als die Bauern und Bäuerinnen des Office du Niger auch heute noch von Staatsangestellten im Kommandoton adressiert werden. Besonders gefürchtet sind Landenteignungen, weil die Wasserrechnung nicht bezahlt werden kann oder weil das Land an Großinvestoren verpachtet wird. Das Kanalsystem des Office du Niger besteht aus großen, mittleren und kleinen Kanälen, die jeweils durch Schleusen voneinander getrennt sind. Die Wartung der großen und mittleren Kanäle ist Aufgabe der Verwaltung des Office du Niger, was aber oft nicht erfolgt, sodass wahlweise zu viel oder zu wenig Wasser auf die Felder gelangt. Kommt es zu Ernteschäden, erhalten die Betroffenen keine Kompensation. Dennoch müssen sie die Wassergebühren bezahlen, auch dann, wenn sie keinerlei Einnahmen erzielt haben. Die Arbeit auf den Feldern der einzelnen Familien erfolgt häufig kollektiv, unter anderem das Umsetzen der Reissätzlinge. Außerhalb der Regenzeit wird auf den Feldern Gemüse angebaut. Dafür schöpfen die Bauern und Bäuerinnen das Wasser aus den kleinen Kanälen, die die Felder durchziehen und „werfen“ es eimerweise auf die kleinen Parzellen – eine körperlich unglaublich anstrengende Arbeit. Das Office du Niger gehört zum Sahel, wo Viehwirtschaft eine der wichtigsten Wirtschaftszweige darstellt. Die Herden legen bis zu 30 Kilometer täglich zurück, um an Nahrung zu kommen – sei es am Wegesrand oder sei es auf abgeernteten Feldern oder ausgewiesenen Weideflächen, wofür die Viehhirten vorher mit den Besitzer:innen genaue Absprachen treffen müssen (gezahlt wird in Geld oder in Naturalien, vor allem mit Milchprodukten – aber auch die Düngung der Felder durch die Ausscheidung der Tiere gilt als Zahlungsmittel). Die Klimakrise macht sich im Sahel immer stärker bemerkbar. 2020 und 2021 ist es im Office du Niger im Zuge von Starkregen mehrfach zu großflächigen Überschwemmungen gekommen, die zu immensen Schäden geführt haben.
Alltagsimpressionen aus Dörfern im Office du Niger (Mali)
Kourouma ist ein Dorf im Norden des Office du Niger. Hier finden auch meist die Treffen der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON statt, um die es im Buch an verschiedenen Stellen geht. Das postkartenreife Motiv ist bewusst gewählt: Einerseits, weil es im Hof des Präsidenten der COPON entstanden ist, wo ich und meinen Kolleg:innen bei Besuchen stets unter Mangobäumen schlafen. Andererseits, weil es versinnbildlicht, dass der Sahel zwar seit Jahrzehnten von diversen Krisen erschüttert wird, aber keineswegs als eine unwirtliche, ja dystopische Region wahrgenommen werden sollte, wie es in westlichen Medien bisweilen den Anschein hat. Gekocht wird im Dorf – genauso wie in den meisten städtischen Haushalten – auf offener Flamme, in aller Regel auf dem Boden. Hier bereiten die Frauen der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON Essen für ein Treffen der COPON zu. Auf S. 161f des Buches wird unter der Überschrift „Vom Getreidestampfen zur aktuellen Wirtschaftslage“ geschildert, wie jeden Tag Millionen (junge) Frauen überall in Afrika stundenlang Getreide in Mörsern stampfen – in Ermangelung von Getreidemühlen. Das Foto ist in Marka Bassi entstanden, einem Dorf, das 2020 durch Überschwemmungen weitgehend zerstört wurde. An verschiedenen Stellen des Buches geht es um die sanitären Bedingungen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. In diesem Zusammenhang wird auf S. 96 dieses Bad (inklusive Toilette) exemplarisch geschildert – ausgehend von der Feststellung, dass sich in Westafrika 71,9 Prozent aller Menschen mit einfachsten Toiletten zufrieden geben müssen. Spielende Kinder in Sanamadougou, einem Dorf, das 2010 einen Großteils seiner landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Landgrabbing verloren hat. Es wurde bereits erwähnt, dass Viehwirtschaft im Sahel einer der zentralen Wirtschaftszweige ist. Hierzu gehört auch, dass die meist halbnomadisch lebenden Viehhirt:innen-Familien der Fulbe (auch bekannt als Peulh oder Fulani) regelmäßig umziehen. Straßen- bzw. Gassenimpression in Kourouma. Der größte Ort im Office du Niger ist die Kleinstadt Niono. Die beiden Jungs putzen in einem der Kanäle die Schafe ihrer Familie.
Bäuerlicher Widerstand im Office du Niger (Mali)
Die Dörfer Sanamadougou und Sahou haben 2010 einen Großteil ihrer Acker-und Weideflächen an den malischen Großinvestor Modibo Keita verloren. Hier beschwört der Dorfchef von Sanamadougou bei einer Versammlung 2015 die Einheit des Dorfes. 2015 haben die Bewohner:innen von Sanamadougou und Sahou einen Protestmarsch zu ihren ehemaligen Ackerflächen unternommen. Der Protest der Dörfer ist auch international bekannt geworden. Der Fall steht exemplarisch für Landgrabbing, also für die Verpachtung von riesigen Ackerflächen an agrarindustrielle Großinvestoren. Dennoch haben die Bauern und Bäuerinnen ihr Land bis heute nicht zurückerhalten. 2016 haben die Bewohner:innen des Dorfes Tikerre-Moussa eine denkwürdige Pressekonferenz in ihrem Dorf abgehalten. Denn sie berichteten, dass viele von ihnen nicht von einem Landentwicklungsprojekt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit profitiert hätten, obwohl sie eigentlich berechtigt gewesen wären, Land zu erhalten. Der Fall hat in Mali hohe Wellen geschlagen, aber auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat eine sehr (selbstkritische) Evaluation des Projektes vorgelegt. Pressekonferenz 2016 in Tikerre-Moussa (siehe oben). Pressekonferenz 2016 in Tikerre-Moussa (siehe oben). Öffentlichke Kundgebung der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON in Kourouma. Neben Land- und Wasserfragen ging es auch um den Zugang zu subventioniertem Dünger (2017). Interne Versammlung der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON (2015) Interne Versammlung der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON (2015) Alassane Dicko – Pressesprecher von Afrique-Europe-Interact in Mali – bei einer Dorfversammlung der oben erwähnten Dörfer Sanamadougou und Sahou. Alassane Dicko war auf afrikanischer Seite mein mit Abstand wichtigster Gesprächspartner beim Schreiben des Buches. Ihm schulde ich großen Dank!