Gerechtigkeitsgau in Glasgow. UN-Klimagipfel verzögert einmal mehr finanzielle Unterstützung für globalen Süden

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (18. Dezember 2021)

Vieles spricht dafür, dass sich – im Vergleich zu 2010 – die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um 13 Prozent erhöhen werden. Und das, obwohl eine Reduzierung um 45 Prozent nötig wäre, um die 2015 beim Weltklimagipfel in Paris vereinbarte Beschränkung der Erderhitzung auf 1,5 Grad tatsächlich erreichen zu können. Umso wichtiger ist es, dass beim jüngsten Weltklimagipfel in Glasgow diverse Beschlüsse gefällt wurden, die die Tür zum 1,5 Grad-Pfad zumindest einen Spalt breit offen halten. Gleichwohl wäre es irreführend, Glasgow als Erfolg zu präsentieren. Einmal mehr zeigte sich, dass die Interessen des globalen Südens wenig Gewicht haben – trotz der allgemein anerkannten Tatsache, wonach die arme Hälfte der Weltbevölkerung zwar am stärksten von der Klimakrise betroffen ist, gleichzeitig aber deutlich unter dem kritischen Schwellenwert von 2 Tonnen CO2-Verbrauch pro Person und Jahr bleibt.

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Fataler Kredit. Landgrabbing in Mali: BMZ verliert Elan

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (10. Dezember 2020)

Im September 2014 hat der malische Unternehmer Modibo Keita von der Afrikanischen Entwicklungsbank (African Development Bank, AfDB) einen Kredit von 16,8 Mio. Euro für den Bau einer Lebensmittelfabrik in Ségou erhalten. Grundsätzlich ist das gut, damit Länder wie Mali unabhängiger von Lebensmittelimporten werden. Auf der Investition liegt allerdings ein Schatten: In der Fabrik wird unter anderem Getreide verarbeitet, das auf Flächen angebaut wird, die Modibo Keita im Jahr 2010 den rund 60 Kilometer entfernt liegenden Dörfern Sanamadougou und Sahou abgenommen hat.

Vor diesem Hintergrund hat Afrique-Europe-Interact 2015 zusammen mit den beiden Dörfern eine offizielle Beschwerde bei der AfDB eingelegt. Zudem hat unser Netzwerk das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) kontaktiert, da Deutschland 4,1 Prozent Anteile an der AfDB hält und daher über Mitspracherechte verfügt. Die anfänglichen Reaktionen waren eher verhalten. Doch 2016 hat die AfDB ein offizielles Prüfverfahren gestartet, was äußerst selten vorkommt.

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Die Klimakatastrophe ist längst da. Brennpunkt Sahel – oder wie Europa seine Wohlstandsinteressen verteidigt

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (06. Dezember 2019)

Anfang der 1970er Jahre erlebten die Länder des Sahel die schlimmste Dürre im 20. Jahrhundert, 1984 und 1985 spitzte sich die Lage erneut zu. Allein während der ersten Trockenphase erhielten eine Million Menschen Nahrungsmittel aus dem Ausland, Hunderttausende starben, Zehntausende wurden zu Geflüchteten. Zudem fielen rund Zweidrittel der 64 Millionen Nutztiere der Hitze und dem Wassermangel zum Opfer, und das in einer Region, in der bis heute größere Teile der Bevölkerung von der Viehwirtschaft leben. Lange galten Überweidung und übermäßiger Holzeinschlag als Auslöser der Krise: Durch den geringeren Baum- und Buschbestand sei weniger Wasser verdunstet, was nicht zuletzt die Regenmenge reduziert habe. Heute hingegen spricht aus Sicht der Klimaforschung vieles dafür, dass die beiden Jahrhundertdürren die ersten Effekte des menschengemachten Klimawandels waren.

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Klimageflüchtete: Diskursive Apokalypse oder reales Schreckensszenario?

FriedensForum 1/2019

Lange galten Eisbären als das wahre Gesicht des Klimawandels. Doch spätestens seit dem im Jahr 2006 veröffentlichten Stern-Report zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der globalen Erwärmung wurde der Eisbär durch die Figur des „Klimageflüchteten“ abgelöst – dies allerdings auf reichlich fragwürdige Weise. Denn im Kern handelt es sich um einen alarmistisch aufgeladenen Diskurs, der darauf abstellt, die Dramatik des Klimawandels durch die drohende Dramatik millionenfacher Klimaflucht zu unterstreichen.

So hieß es 2009 in einer bekannten Studie der Columbia-University, dass das Ausmaß der klimawandelbedingten Migration „alles bisher Dagewesene übertreffen“ würde. Ähnlich das kirchliche Hilfswerk Brot für die Welt, das von einer Wanderungsbewegung raunte, „die ihresgleichen in der Geschichte“ suchte, die entsprechenden Zahlen seien „atemberaubend“. Oder eine im November 2018 unter dem Titel „Klimafluch und Klimaflucht“ ausgestrahlte arte-Doku, die wohl kaum zufällig mit der apokalyptisch anmutenden Behauptung eines belgischen Klima- und Migrationswissenschaftlers endete, wonach im Jahr 2050 zwei bis drei Milliarden Klimageflüchtete auf der Welt unterwegs seien.

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Aktiv gegen Landgrabbing. In Mali kämpfen zwei Dörfer gegen die Vertreibung von ihren Feldern

iz3w 356, September/Oktober 2016

Im Zuge des Klimawandels gehen in Mali jährlich 150.000 Hektar Land verloren. Ein Drittel aller Kinder unter fünf Jahren gelten als unterernährt, zudem soll die Bevölkerung bis zur Jahrhundertmitte von derzeit 15 auf 50 Millionen Menschen anwachsen. Umso unbegreiflicher ist es, dass die malische Regierung seit 2003 mindestens 900.000 Hektar Land an GroßinvestorInnen verpachtet hat – ohne Konsultation der lokalen Bevölkerung und zu grotesk günstigen Konditionen wie etwa jahrzehntelange Steuernachlässe („tax holiday“). Offiziell wird dies damit gerechtfertigt, dass die PächterInnen mit ihren Investitionen einen Beitrag zur Entwicklung des Landes und somit auch zur Ernährungssicherheit leisten würden.

Diese Behauptung entpuppt sich jedoch als wenig stichhaltig: Auf einem beträchtlichen Teil der Flächen werden Exportgetreide sowie Agrospritpflanzen angebaut – begleitet von den negativen ökologischen Auswirkungen agrarindustrieller Landwirtschaft. Darüber hinaus ist es bereits zur Vertreibung tausender Bauern und Bäuerinnen von ihren Feldern und zur Blockade traditioneller Wanderrouten mobiler ViehhirtInnen gekommen.

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Trotz aller Mängel ein Erfolg. Das Pariser Klimaabkommen ist Ausdruck veränderter Kräfteverhältnisse

ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 612 / 19.1.2016

Gewiss – gemessen an den tatsächlichen Notwendigkeiten liegt es nahe, das vielerorts umjubelte Pariser Klima-Abkommen als reines Blendwerk abzutun: Weder enthält es verbindliche CO2-Reduktionsziele noch angemessene Unterstützungszusagen für die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder im Süden des Globus. Entsprechend ist auch nach Paris davon auszugehen, dass die Welt auf 3 bis 4 Grad Erderwärmung zusteuert, was für unzählige Menschen fürchterliche Konsequenzen haben dürfte – ein Umstand, auf den auch der ehemalige bolivianische Klima-Chefunterhändler Pablo Solón in Paris mit drastischen Worten hingewiesen hat: „Wir werden in eine Situation gebracht, in der die Frage ist, wessen Kinder überleben und wessen sterben werden.“

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Blockadepolitik im Bröckeln. Transnationale Proteste bringen Bewegung in Landkonflikt (Mali)

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (3. Dezember 2015)

Seit zwei Jahren unterstützt Afrique-Europe-Interact den Kampf der beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou zur Wiedererlangung ihres durch den malischen Großinvestor Modibo Keita im Jahr 2010 geraubten Landes. Spektakuläre Durchbrüche konnten in dieser Zeit noch nicht erzielt werden, gleichwohl besteht unter den Dorfbewohner_innen Einigkeit darüber, dass sich die Rahmenbedingungen ihres Widerstands erheblich verbessert haben, seit Afrique-Europe-Interact mit von der Partie ist. In diesem Sinne möchten wir nicht nur über die Geschehnisse im vergangenen Jahr berichten, sondern auch einige der Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen beleuchten, die typisch für Landkämpfe in Mali bzw. in Westafrika insgesamt sind.

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Mikro-Landraub. Korruption bei KfW-Bewässerungsprojekt

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (3. Dezember 2015)

Bereits seit langem engagiert sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in der kleinbäuerlichen Bewässerungslandwirtschaft. Die hiermit verknüpften Errungenschaften sind unstrittig. Umso ernüchternder ist der Umstand, dass es immer wieder zu Korruptionsfällen kommt, die nicht zuletzt zu Lasten kleinbäuerlicher Produzent_innen gehen. So geschehen bei einem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durchgeführten Bewässerungsprojekt in Siengo Extension, einem Dorfverbund in Mali, in dem auch mehrere bäuerliche Mitglieder von Afrique-Europe-Interact leben.

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Respekt als Basis. Über Kunst, Ökologie und Migration

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (3. Dezember 2015)

Die panafrikanische Künstler_innengruppe Fasokele gehört zu den Gründungsmitgliedern von Afrique-Europe-Interact in Mali. Jetzt will die Gruppe ihren schon lange gehegten Traum wahrmachen und ein ökologisches Künstler_innendorf in Guinea aufbauen. Bei einem Interview in Bamako haben sie entlang diverser Stichworte Auskunft über ihre Pläne und Ideen gegeben.

„Die ersten Anfänge“: Wir sind alle Künstler_innen und in dieser Rolle willst du anderen etwas vermitteln. In unserer Kunst, unserer Musik geht es um Themen wie Solidarität, Gleichheit oder den Schutz der Umwelt. Wir haben uns also zusammengetan, um uns gegenseitig zu ermutigen und zu stärken. Denn als Afrikaner_innen sind wir ziemlich traumatisiert. Es geht uns aber nicht darum, uns für das schlechte Leben zu rächen – sonst bist du am Ende der Allerunglücklichste! Oder anders ausgedrückt: Für uns als Faso Kele ist ein respektvoller Umgang die zentrale Grundlage. Wenn wir uns hierauf verständigen können, dann werden wir gemeinsam das gute Leben finden.

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Im Schnittfeld von Land und Stadt. Werkstattbericht zur Solidaritätsarbeit mit bäuerlichen Bewegungen in Mali

ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 604 / 21.04.2015

Seit 2012 ist das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact damit zu Gange, Bündnisse mit Kleinbauern und -bäuer_innen in Mali zu schmieden, die von unterschiedlichen Formen von Landgrabbing betroffen sind. In einem Werkstattbericht soll daher aus unterschiedlichen Blickwinkeln eine erste Zwischenbilanz gezogen werden, auch um die dortigen Prozesse mit hiesigen Debatten zur transnationalen Organisierung bzw. internationalistischen Solidaritätsarbeit kurzzuschließen (1.)

Die Szene Anfang März 2015 wirkt wie aus einem anderen Film – jedenfalls aus europäischer Perspektive: Ein hochbetagter, schon lange erblindeter Dorfchef hat zusammen mit zwei ebenfalls sehr alten Männern vor seiner türlosen Hütte Platz genommen. Anlass ist die Begrüßung einer 12-köpfigen Delegation des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact (AEI), darunter drei Aktivist_innen aus Europa (2). Doch die aktuelle Lage des 250 Kilometer nordöstlich der malischen Hauptstadt Bamako gelegenen Dorfes Sahou ist ungleich dramatischer, als es die in landesüblicher Gelassenheit durchgeführte Begrüßungszeremonie vermuten lässt. Denn seit 2010 haben Sahou und sein Nachbardorf Sanamadougou schrittweise einen Großteil ihrer Ackerflächen durch Landgrabbing verloren – eine existentielle Katastrophe, die durch den zynisch anmutenden Umstand unterstrichen wird, dass vor allem nachts in den schmalen, von niedrigen Lehmmauern gesäumten Gassen Sahous allenthalben das Brummen der Maschinen und Kühlanlagen des Agrobusiness-Unternehmens Moulins Modernes du Mali zu hören ist.

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