24.10.2021 | Mali – warum zahlreiche Menschen in Mali keinen sofortigen Abzug der Bundeswehr fordern

Nicht nur die Friedensbewegung (darunter die Informationsstelle Militarisierung in Tübingen), sondern auch große Teile der Partei DIE LINKE fordern den Abzug der Bundeswehr aus Mali (gemeint ist in erster Linie die Beteiligung an der UN-Friedensmission MINUSMA und an der EU-Ausbildungsmission EUTM). Doch solche Forderungen verkennen die Lage in Mali gänzlich – vor allem ist es absolut irreführend, die Situation in Afghanistan mit Mali zu vergleichen. Denn in Mali stellen die terroristischen – meist unter dschihadistisch-religiöser Flagge agierenden – Gruppierungen eine absolute Minderheit dar, anders, als die Taliban in Afghanistan. Entsprechend fordert die Bevölkerung unisono einen umfassenden Schutz durch malische Sicherheitskräfte, und das wiederum ist der Grund, weshalb die Ausbildungsmission der EU überwiegend für gut befunden wird (ungeachtet dessen, dass die regelmäßig vorkommenden Übergriffe und Gewaltakte malischer Soldat:innen und Polizist:innen durchaus gesehen und verurteilt werden). Und gleiches gilt auch für die UN-Mission MINUSMA. Diese wird zwar kritisiert, aber nicht grundsätzlich. Gefordert wird vielmehr, dass MINUSMA die Zivilbevölkerung effektiver vor dem gezielten Terror schützen solle, was ja auch der Hauptauftrag von MINUSMA ist. Demgegenüber wird die maßgeblich von Frankreich getragene Anti-Terror-Operation Barkhane scharf kritisiert.

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20.10.2021 | „Selten habe ich im Sahel einen derartigen Überdruss am Westen erlebt“. Interview mit dem Anthropologen Jean-Pierre Olivier de Sardan

Vorbemerkung: Seit Jahrzehnten gehört der französisch-nigrische Anthropologe Jean-Pierre Olivier de Sardan zu den bekanntesten Vertreter:innen seines Faches. 2001 gründete er in Niamey das Forschungsinstitut LASDEL (Laboratoire d’études et de recherches sur les dynamiques sociales et le développement local), an dem heute mehr als 30 Wissenschaftler:innen aus verschiedenen afrikanischen Ländern arbeiten. Am 4. Oktober erschien in der französischen Tageszeitung Liberation ein bemerkenswertes Interview mit dem inzwischen 80-jährigen emeritierten Professor – der Titel lautete: «Au Sahel, j’ai rarement observé un tel ras-le-bol à l’égard de l’Occident» [Selten habe ich im Sahel einen derartigen Überdruss am Westen erlebt]. Das Interview behandelt auf pointierte Weise viele Aspekte der aktuellen Vielfachkrise im Sahel, befindet sich aber leider hinter einer Bezahlschranke. Insofern habe ich lediglich einige der in meinen Augen spannendsten Passagen ausgewählt und übersetzt. Dramatisch klingt unterdessen das Fazit von Jean-Pierre Olivier de Sardan. Danach hätte der radikale Islamismus im Sahel schon längst die Oberhand gewonnen, auch wenn er ungleich weniger brutal auftrete als die Taliban oder der IS.

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14.10.2021 | Weshalb sich bäuerliche Gruppen in Mali ein stärkeres Engangement Deutschlands wünschen und was sie zur Rolle des internationalen Militärs denken

Nicht nur in friedenspolitischen Kreisen, auch in der allgemeinen Öffentlichkeit wird der Bundeswehreinsatz in Mali immer öfter in Frage gestellt. Diese Skepsis ist verständlich, denn im gesamten Sahel verschlechtert sich die Sicherheitslage zunehmend. Und doch ist die Forderung nach einem Abzug aller internationalen Militärkräfte aus Mali bzw. den Sahelländern hochgradig problematisch. Verkannt wird zweierlei: Einerseits, dass ein solcher Abzug mit großer Wahrscheinlichkeit in kurzer Zeit zur Machtübernahme dschihadistischer bzw. terroristischer Gruppierungen führen würde – ähnlich wie dies in Afghanistan durch die Taliban der Fall gewesen ist. Andererseits, dass es zu kurz greift, die Konfliktdynamiken im Sahel primär auf ausländische Militärinterventionen zurückzuführen – bei gleichzeitiger Ausblendung komplexer interner Konfliktdynamiken (vgl. hierzu den Blogeintrag Lokale Konflikte und Gewalteskalation im Office du Niger (Mali) vom 22.09.2021). Insofern kann es nicht verwundern, dass die Menschen in Mali deutlich vielschichtiger argumentieren, als es die deutsche Debatte vermuten lässt. Konkret wird ein ganzes Maßnahmebündel gefordert:

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01.10.2021 | Protestmarsch von Bauern und Bäuerinnen nach Diabaly (Office du Niger/Mali). Interview mit zwei Beteiligten

Vorbemerkung: Das Office du Niger ist ein Bewässerungsgebiet in Mali, das bereits im Kolonialismus angelegt wurde – damals mit dem Ziel, die französische Textilindustrie mit billiger Baumwolle zu versorgen. Anfangs wurden bäuerliche Familien zwangsverpflichtet, im Office du Niger zu arbeiten, Und die Erinnerung daran ist bis heute lebendig, wie in den beiden Interviews deutlich wird. Mittlerweile wird im Office du Niger vor allem Reis und Gemüse angebaut, zum Teil auch Zuckerrohr – überwiegend von kleinbäuerlichen Haushalten. Doch das Office du Niger ist aktuell mit zwei großen Problemlagen konfrontiert:

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