14.10.2021 | Weshalb sich bäuerliche Gruppen in Mali ein stärkeres Engangement Deutschlands wünschen und was sie zur Rolle des internationalen Militärs denken

Nicht nur in friedenspolitischen Kreisen, auch in der allgemeinen Öffentlichkeit wird der Bundeswehreinsatz in Mali immer öfter in Frage gestellt. Diese Skepsis ist verständlich, denn im gesamten Sahel verschlechtert sich die Sicherheitslage zunehmend. Und doch ist die Forderung nach einem Abzug aller internationalen Militärkräfte aus Mali bzw. den Sahelländern hochgradig problematisch. Verkannt wird zweierlei: Einerseits, dass ein solcher Abzug mit großer Wahrscheinlichkeit in kurzer Zeit zur Machtübernahme dschihadistischer bzw. terroristischer Gruppierungen führen würde – ähnlich wie dies in Afghanistan durch die Taliban der Fall gewesen ist. Andererseits, dass es zu kurz greift, die Konfliktdynamiken im Sahel primär auf ausländische Militärinterventionen zurückzuführen – bei gleichzeitiger Ausblendung komplexer interner Konfliktdynamiken (vgl. hierzu den Blogeintrag Lokale Konflikte und Gewalteskalation im Office du Niger (Mali) vom 22.09.2021). Insofern kann es nicht verwundern, dass die Menschen in Mali deutlich vielschichtiger argumentieren, als es die deutsche Debatte vermuten lässt. Konkret wird ein ganzes Maßnahmebündel gefordert:

Erstens ein sofortiges Ende der französischen Anti-Terror-Politik, denn diese habe den Konflikt in den letzten Jahren erheblich angeheizt; zweitens eine gute Ausbildung und Ausstattung der malischen Armee, damit diese selber gegen terroristische Gruppen vorgehen kann; drittens eine strikte Ausrichtung der UN-Friedensmission MINUSMA an ihrem Kernauftrag, die Zivilbevölkerung zu schützen; viertens Verhandlungen mit allen gesellschaftlichen Kräften – unter Einschluss jener dschihadistischen und kriminellen Gruppierungen, die sich primär aus malischen Staatsbürger:innen zusammensetzen (was mittlerweile auf die meisten Gruppierungen zutrifft – trotz Bekenntnissen zu Al Quaida oder zum Islamischen Staat); und fünftens – und am wichtigsten – eine systematische Bekämpfung von Armut und schlechter Regierungsführung (inklusive korrupter Justiz) als den eigentlichen Ursachen der Krise. Interessant dürfte aus deutscher Perspektive sein, dass sich in den letzten Jahren große Erwartungshaltungen gegenüber Deutschland aufgebaut haben. Viele der Vorschussloorbeeren mögen übertrieben sein, aber sie ergeben sich aus einer immer tiefer gewordenen Ablehnung der französischen Politik in den Sahelländern bzw. in West- und Zentralafrika insgesamt. Entsprechend ist vielerorts nur noch vom französischen Neokolonialismus die Rede.

Zur Veranschaulichung habe ich daher in diesem Blogeintrag einige der Debatten-Beiträge dokumentiert, die in den letzten zwei Wochen in einer gemeinsamen Whatsapp-Gruppe der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON und des transnationalen Netzwerks Afrique-Europe-Interact getätigt wurden. Bei den Beiträgen handelt es sich ausschließlich um (zum Teil sehr lange) Sprachnachrichten auf Bambara, die mein Mitstreiter Alassane Dicko aus Bamako dankenswerterweise zusammenfassend auf französisch übersetzt hat. Die COPON ist eine kleine, ehrenamtlich arbeitende Basisgewerkschaft mit rund 500 Mitgliedern in 23 Dörfern. Sie ist im Bewässerungsgebiet des Office du Niger tätig, das im Zentrum des Landes liegt und das immer stärker von dschihadistischen bzw. terroristischen Gruppen drangsaliert wird (vgl. zum Office du Niger die Einleitung zum Blogeintrag Protestmarsch von Bauern und Bäuerinnen nach Diabaly vom 01.10.2021). Ich selbst teile bei weitem nicht alle der in den Beiträgen zum Ausdruck kommenden Einschätzungen, aber ich bin davon überzeugt, dass es nötig ist, solche Stimmen als wichtigen Orientierungspunkt zu nehmen, wenn in Deutschland über den Bundeswehreinsatz in Mali diskutiert wird.

Debattenbeiträge der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON

[Benke Diarra/Mitglied der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON]

Angesichts der ungünstigen Entwicklung in Punkto Sicherheit und der Komplexität der Krisensituation in unserem Land prangern die Malier mehrheitlich die rücksichtslose Haltung der französischen Armee im Kampf gegen den Terrorismus an, auch was das Ziel der Wiederherstellung der Einheit des Landes betrifft [gemeint ist der Umstand, dass verschiedene Teile des Landes von dschihadistischen und kriminellen Gruppen dominiert werden].

In der öffentlichen Debatte zur militärischen Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern ist derzeit viel von Russland die Rede, wenn es um die Bereitstellung von Ausrüstung und Unterstützungspersonal zur Bekämpfung der irregulären bewaffneten Gruppen geht, die seit dem Aufstand von 2012 und der vorübergehenden Besetzung der nördlichen Regionen des Landes [durch dschihadistische Gruppen] den Frieden der Bevölkerung in den verschiedenen Regionen Malis bedrohen.

Gleichzeitig ist festzuhalten, dass Frankreich nicht nur militärisch, sondern auch in der Entwicklungszusammenarbeit versagt hat, indem es Maßnahmen ohne Abstimmung mit den betroffenen Menschen und ohne Evaluation der Erfolge bzw. Misserfolge durchführte. Hintergrund ist, dass es sich bei der französischen Entwicklungszusammenarbeit in aller Regel um ein System der Ressourcenausbeutung handelt, das die lokale Bevölkerung nicht berücksichtigt.

Und das gilt umso mehr, als wir Bauern und Bäuerinnen genau wissen, was wir wollen. Denn uns geht es um das Wohlergehen aller und um die Ernährungssicherheit in Mali. Die Grundlage von Entwicklung sind für uns Landwirtschaft, Fischerei und Viehzucht – also jene Bereiche, die die große Mehrheit der Malier beschäftigen und die die Märkte mit Nahrungsmitteln versorgen…

Daher sollten wir Bauern und Bäuerinnen unsere Stimme erheben und ein Bündnis mit Deutschland anstreben – in gleicher Weise wie mit Russland. Denn Deutschland war das erste Land der Welt, das 1960 die Unabhängigkeit Malis anerkannte und vor allem jene Anerkennung in Europa verteidigte [Hintergrund ist, dass die damalige BRD versuchte, gegenüber der damaligen DDR diplomatische Vorteile zu erzielen, indem es die unabhängig gewordenen Länder in Afrika schnell anerkannte – dieses innerdeutsche Wettrennen wird in Westafrika häufig übersehen]. Wir haben das Recht, einen anderen europäischen Partner um Kooperation zu bitten – nämlich Deutschland, dessen Aktivitäten die lokale Entwicklung in allen Regionen Malis vorangebracht haben und dessen Verhalten von Demokratie und Achtung gegenüber den Menschenrechten sowie der Erhaltung der natürlichen Lebensräume geleitet ist – und zwar als Ausdruck eines echten Verständnisses des ländlichen Raumes in Mali sowie einer echten Begegnung mit den politischen Verantwortlichen unseres Staates [für deutsche Leser:innen mag sich dies wie eine Überhöhung von Deutschland anhören, aber so gut wie aller Malier:innen berichten, dass sie das Vorgehen deutscher Institutionen als respektvoller empfinden denn dasjenige der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich].

[…]

Wir werden diesen Wunsch nach Zusammenarbeit mit Deutschland in den kommenden Wochen offiziell bekannt geben, inshallah. Es lebe die Zusammenarbeit zwischen Mali und Deutschland, Grüße auch an unsere Freunde in Europa!

[Rückfrage von Olaf Bernau: Ist das eine These oder eine gemeinsam entwickelte Position im Rahmen der COPON?]

Dies ist eine Ansicht, die von den Bauern und Bäuerinnen im Allgemeinen geteilt und auch in unserem Kollektiv diskutiert wird. Wir alle wünschen uns die Unterstützung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, um den Bauern des Office du Niger zu helfen, aus diesem Drama, das wir gerade erleben, herauszukommen und um unsere landwirtschaftlichen Aktivitäten wieder aufzunehmen. Und genau deshalb ist die Tatsache so entscheidend, dass in den meisten ländlichen Gebieten die deutschen Projekte der Entwicklungszusammenarbeit den Bauern überhaupt erst geholfen haben, ihre Anbaukulturen zu entwickeln. Dies wird überall anerkannt, und bis heute fordern die Bauern eine stärkere Zusammenarbeit mit diesem Partner der ersten Stunde.

Umgekehrt stimmt es, dass die Menschen Frankreich anprangern und den Abzug der französischen Truppen fordern.

[…]

Die Bäuerinnen und Bauern in Mali profitierten nach wie vor von den Projekten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und diese sind überall im ländlichen Raum sichtbar. Daher halten wir es für notwendig, dass die französischen Streitkräfte zn einem Moment abziehen, an dem Mali nach anderen Partnern sucht, um uns aus der Krise zu helfen…

Wir müssen uns auch daran erinnern, dass nach der Anerkennung unserer Unabhängigkeit durch Deutschland viele unserer technischen Mitarbeiter, Agraringenieure, Ärzte und Tierärzte, Offiziere und Akademiker in den beiden durch die Mauer getrennten Teilen des Landes ausgebildet wurden. Es sei darauf hingewiesen, dass trotz dieses institutionellen „vorübergehenden Bruchs“ die Beziehungen zu beiden Teilen Deutschlands ziemlich gleichwertig waren. Dies wiederum führte zu Entwicklungsprogrammen und -projekten in ganz Mali. […]

Wir, die Bauern und Bäuerinnen des Office du Niger, sind dankbar für die Bemühungen unserer Freunde in Europa und insbesondere in Deutschland und hoffen, dass sie unseren Appell an die Verantwortlichen in Deutschland weiterleiten, damit diese uns Bauern und Bäuerinnen helfen.

Der Austausch unter uns geht weiter, und gestern Nachmittag traf ich bei Karamoko [dem Präsidenten der Bauerngewerkschaft COPON] Seydou und andere Mitglieder, um über die Partnerschaft zwischen Mali und Deutschland zu diskutieren. Präsident Karamoko nannte verschiedene Gründe, darunter auch den, über den ich hier berichte. Wir haben beschlossen, eine Vollversammlung einzuberufen, um bei einer öffentlichen Veranstaltung zu diesem Thema weiter zu diskutieren…

Wir erinnern uns auch daran, dass Herr Abdoulaye Diouf 2012 zu Beginn der Krise im Norden Malis im Fernsehen antwortete, dass wir nie vergessen sollten, dass es Deutschland war, das 1960 die erste technische und militärische Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Mali einging – nach dem Abzug der französischen Kolonialtruppen, aber noch vor Russland und China sowie den USA. Und es war dieses Land, das als erstes andere Vorgehensweisen in der Zusammenarbeit mit der ländlichen Welt in Mali eingeführt hat…

[…]

[Modibo Diallo, Pressesprecher der COPON]

Die aktuelle Situation ist wirklich noch schwieriger geworden. Zusätzlich zu den Vögeln, die kommen, um die Reste des Reises zu fressen, sind die meisten Setzlinge nicht gut gediehen, weil die Menschen wegen Geldknappheit nicht genügend Dünger kaufen konnten. Ganz zu schweigen von der Austrocknung ganzer Landstriche aufgrund des fehlenden oder zurückgehaltenen Bewässerungswassers (vgl. Blogeintrag Protestmarsch von Bauern und Bäuerinnen nach Diabaly vom 01.10.2021). Unsere Schwierigkeiten sind grenzenlos, und wir wünschen uns nachdrücklich eine Partnerschaft mit Deutschland, wie die anderen schon gesagt haben. Dieser Wunsch ist für uns nicht „neu“, sondern dient der Fortführung der ursprünglichen Beziehungen zwischen Deutschland und Mali.

[Bourema Diallo/Afrique-Europe-Interact, Fischer aus Timbuktu]

Guten Abend COPON-Mitglieder, von Siribala über Niono bis Dogofry. Was die deutsche Zusammenarbeit betrifft, so ist festzustellen, dass dieses Land unter den großen westlichen Geldgebern 70 % der Gesamtsumme der anderen Geber aufbringt. So hat Deutschland Mali jedes Jahr rund 75 Milliarden FCFA zur Unterstützung des ländlichen Raums zur Verfügung gestellt [Die Zahlen, Größenordnungen und Relationen treffen lediglich tendenziell zu, sie sind insofern eher als Ausdruck einer politischen Haltung zu verstehen]. Damit wurde der Bau von Schulen, Krankenstationen und Ausbildungszentren sowie die Unterstützung von Landwirten, Fischern und Viehzüchtern und anderen finanziert. Dies geschieht im Rahmen der direkten Haushaltshilfe, und Frankreich hat trotz seiner historischen kolonialen und wirtschaftlichen Bindungen noch nie einen vergleichbaren Betrag zur Entwicklung Malis beigetragen. Jede Investition oder Spende aus Frankreich kommt bei uns an und geht dann mit den Gewinnen an Frankreich zurück. Bis heute hat noch kein westliches Land das finanzielle Niveau Deutschlands für den ländlichen Raum und die soziale Grundversorgung erreicht. […].

Es besteht also kein Zweifel daran, dass die deutsche Zusammenarbeit in unserem Land sehr präsent ist, und der Unterschied besteht darin, dass Frankreich seine Gewinne immer repatriiert. Demgegenüber haben wir immer noch deutsche Projekte, die funktionieren und die den Menschen in der Landwirtschaft Befriedigung verschaffen. […] Ich gebe diese Informationen weiter, um die Debatte über den Appell an Deutschland angesichts der Krise im Office du Niger und in ganz Mali zu bereichern. […] Zweifellos wird der Appell der COPON in Mali auf ein positives Echo stoßen. […]

[Nachrichten im Lokalfernsehen Nara Media über Angriffe dschihadistischer Gruppen auf die Ernten und Werkzeuge der Bauern im Office du Niger]

Brände in Reisfeldern und Reisstöcken sowie von Arbeitsgeräten. In der Region Niono, in der Gemeinde Toridagako, kamen bewaffnete Männer in Gruppen auf Motorrädern und setzten Eigentum in Brand. So wurden drei große Stapel geschnittenen Reises zu einem Preis von 600.000 CFA-Francs [916 Euro] pro Stapel verbrannt, und drei motorisierte Transportwagen, die drei verschiedenen Landwirten gehörten […]. Dies geschah am Freitag, den 8. Oktober 2021, zwischen 5 und 6 Uhr morgens.

Auf der Seite von NB 8 Boboye wurde eine motorisierte Feldbearbeitungsmaschine niedergebrannt. Bitte teilen Sie diese Geschichte mit anderen, um die Öffentlichkeit und vor allem die hohen Behörden bis hin zu Präsident Assimi Goïta über den Vorgang zu informieren. Denn die Militärs sind diejenigen, die sich mit diesen Sicherheitsfragen gut auskennen. Wir fordern, dass sie Soldaten schicken, um die Bevölkerung zu schützen. Bleiben Sie NARA MEDIA treu für glaubwürdige Informationen in Echtzeit…

[Video des Verhörs und der Hinrichtung eines alten Jägers durch dschihadistische Gruppen im Office du Niger – das Video ist äußerst brutal, deshalb wird es hier nicht gezeigt]

Dschihadisten verhören einen alten Jäger, der in der Nähe von Niono gefangen genommen wurde.

Nachdem der Jäger die Fragen der Dschihadisten beantwortet hat, wird dem alten Mann zur Feier des Tages die Kehle durchgeschnitten, um den Menschen Angst einzujagen. In den Dörfern und Weilern wird die bäuerliche Bevölkerung vertrieben, zahlreiche Menschen fliehen vor den Drohungen und Übergriffen der so genannten Dschihadisten.

[Modibo Nabé/Mitglied der COPON]

Hallo Genossinnen und Genossen der COPON! Von Siribala über Niono bis zu den Grenzen von Kouroumari und Dogofry grüßen wir alle Mitglieder und Unterstützer von COPON. Möge Gott uns Gnade erweisen!

Zweitens möchte ich etwas zur Frage der UN-Friedensmission MINUSMA sagen, die von unseren europäischen Freund:innen aufgeworfen wurde: Wir sind uns der Notwendigkeit ihrer Präsenz bewusst, aber es ist ihre eingeschlagene Richtung, die wir verurteilen. MINUSMA ist mit ihrer Arbeit hier in Mali nicht auf dem richtigen Weg. Die Präsenz der MINUSMA dient eigentlich der Sicherheit der Bevölkerung und dem Schutz der Zivilbevölkerung – zumindest sollte das ihr Anliegen sein. Doch MINUSMA tut das zu wenig und das ist es, was die Malier wütend macht. Aber es ist unklar, ob diese Organisation ihre Methoden ändern kann und endlich gegen die terroristischen Feinde der Bevölkerung vorgeht und den Maliern hilft, die Sicherheit wiederherzustellen. MINUSMA sollte normalerweise zwischen bewaffneten Angreifern und der Zivilbevölkerung eingreifen, und das ist es, was die Mehrheit der Malier wirklich will. Wenn die MINUSMA diesen Weg einschlägt, werden die Malier Vertrauen in die Zusammenarbeit mit ihr haben.

Der dritte Punkt bezieht sich auf Deutschland. Nach Aussage unserer Großeltern war Deutschland das erste Land, das die volle Souveränität Malis anerkannte. Dies ist sehr wichtig, zusätzlich zu all den anderen Hilfen, die Deutschland gewährt hat. Denn diese diplomatische Anerkennung war es ja, die uns in die Gruppe der unabhängigen Länder gebracht und uns in den Stand gesetzt hat, eine eigene Entwicklung zu beginnen. Deutschland hat auch viel in das Office du Niger investiert. In der Region N‘Débougou wurde beispielsweise vor kurzem ein Projekt zur Erschließung von 4.200 Hektar durchgeführt, und es gab viele solcher Initiativen zugunsten landloser Bauern.

Zudem gibt es für uns COPON-Mitglieder unsere lebendige Partnerschaft mit dem Netzwerk Afrique-Europe-Interact, dessen europäischer Hauptsitz sich in Deutschland befindet. Das bestätigt unsere Absicht, Deutschland als Partner zu rufen, zumal wir hier im Office du Niger keine Initiativen anderer Geberländer gesehen haben, die sich direkt an die Bauern richten, wie es Deutschland in seinen ländlichen Entwicklungsprogrammen tut.

Ohne sagen zu wollen, dass es gar keine Entwicklungsprogramme von dritten Ländern gäbe, uns sind jedoch keine Beispiele bekannt. Ja, es gab in der Vergangenheit einige gute Initiativen, die von der holländischen Regierung finanziert wurden, aber leider ist ihre Finanzierung eher institutionell übre die Zentralregierung erfolgt. Und im Office du Niger erinnern wir uns an ein Projekt, das die Niederlande in direkter Kooperation mit dem Staat finanziert hat, das die Holländer dann aber in die Hände des Office du Niger legten. […] Die Ansätze Deutschlands im Office du Niger sind ganz anders. Sie sind präsent und begleiten die Bauern bei ihren Aktionen. Das wollte ich hier mit Ihnen teilen. Ich entschuldige mich für Auslassungen und Fehler, denn Sprache ist ein schwieriges Feld.

[Modibo Nabé/Mitglied der COPON]

Ich möchte noch eine Ergänzung zu den Niederlanden machen: Soweit ich mich erinnere, gab es in meiner Jugend, als ich mit der Landwirtschaft begann, einige Erfolge. Zunächst einmal war da die niederländische Entwicklungszusammenarbeit. Nachdem Mali unabhängig wurde und die ehemalige Kolonialmacht gehen musste, hatten die Niederlande eine sehr wichtige Bank gegründet, die FDV, die die damaligen Bauernprogramme unterstützte. In ihren Kassen befanden sich große Geldbeträge, die zur Finanzierung verschiedener bäuerlicher Projekte verwendet werden sollten. Nach ihrem Weggang wurde diese Bank den Bauern übergeben, woraus dann die SMD geworden ist. Doch dieses Unternehmen ist mittlerweile bankrott, wenn ich mich nicht irre. Denn es kam häufig zur Nichtrückzahlung von Krediten durch die Landwirte, zudem zum Missbrauch interner Vermögenswerte und zur Veruntreuung von Geldern durch die Bediensteten, was zum Konkurs führte. Sie kann daher keine Kredite mehr an Landwirte vergeben. Wir hören außerdem oft von der Schweiz, aber ich habe nicht gehört, dass die Schweiz im Office du Niger tätig wäre.

[Modibo Diallo, Pressesprecher der COPON]

Ich möchte auch noch etwas zu den Niederlanden sagen: Ja, die Niederlande haben in der Tat viel in Mali investiert. Ich kann das bezeugen, auch, weil ich seit mehr als fünf Jahren bei einem Projekt namens PGLR mitarbeite, dem Local Governance Accountability Programme, das von den Niederlanden finanziert wird. Dieses Projekt wird derzeit in mehr als 100 Gemeinden durchgeführt und ist sehr nützlich, weil es die Menschen vor Ort über ihre Rechte informiert und ihre volle Beteiligung an der Entscheidungsfindung stärkt, um die Transparenz bei der Verwaltung von Gemeinschaftsgütern in ländlichen Gebieten zu erhöhen.

[Benke Diarra/Mitglied der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON]

Ich möchte Ihnen allen für Ihre Beiträge zu dieser Debatte danken. Bei der Suche nach geeigneten Partnern, um Mali aus der Krise zu führen, haben wir Bauern des Office du Niger nur eine Wahl: Deutschland. Aus all den genannten Gründen und zusätzlich zu den aktiven Beziehungen, die wir zu unseren deutschen Freunden aufgebaut haben. Für die COPON und auch für viele Bauern hier richtet sich unser Appell daher ebenso an die deutschen Behörden wie an unserer Freunde von Afrique-Europe-Interact. Ja, es gibt sicherlich auch finanzielle Mittel aus der Schweiz und den Niederlanden, aber wir haben nichts über solche Projekte in unserer Region gehört. Hier geht es um konkrete Projekte, die sich direkt an die Bauern richten, und es ist insbesondere Deutschland, das wir im Office du Niger sehen…

Jetzt noch zu den militärischen Fragen: Wenn der Auftrag der Vereinten Nationen und der französischen Anti-Terror-Operationen einzig darin besteht, die so genannten Dschihadisten zu bekämpfen, dann werden sie den Krieg gegen den Terrorismus immer wieder in die Länge ziehen [obwohl sie schnell gewinnen könnten, wie Benke Diarra unterstellt]. Denn wenn dieser Kampf schnell vorbei wäre, müssten die ausländischen Kräfte schnell wieder das malische Territorium verlassen, auch dann, wenn sie ihre geostrategischen Ziele in Mali noch nicht erreicht haben [eine Feststellung, die vor allem auf Frankreich gemünzt ist]. Anders formuliert: Wir wollen ausländische Militärs nicht in diesem Ausmaß und deshalb werden diese ausländischen Kräfte – insbesondere die aus Frankreich – von den Menschen hier angeprangert. Wir brauchen stattdessen Partner, die an uns glauben, die uns in dieser Krise unterstützen und die den Bauern helfen, aus ihrer Notlage herauszukommen…

[…]

Frankreich hat mehrere Tausend Soldaten in Mali, und die Malier haben kein Verständnis für deren Vorgehensweisen vor Ort. Warum sind sie in Mali präsent? Ohne klare und gut diskutierte Ziele werden wir daher nie wieder französische Soldaten haben wollen…