09.05.2024 | Sicherheitslage im Sahel: Zahlen und (westliche) Diskurse

Vor einigen Wochen habe ich mit Verweis auf aktuelle Zahlen des ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) – einer in den USA ansässigen Notprofit-Organisation, die mittlerweile zur wohl wichtigsten Quelle für Statistiken zu bewaffneten Konflikten geworden ist (https://acleddata.com/africa/analysis/) – darauf hingewiesen, dass Mali im Jahr 2023 trotz verstärkter Kampfhandlungen einen Rückgang an Toten erlebt hätte, während in Burkina Faso die Zahlen steil nach oben gegangen seien. Diese mit einem ACLED-Säulendiagramm illustrierte Feststellung hat zu mehreren – gelinde gesagt – irritierten Reaktionen geführt. Denn meine Aussage stünde im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen diverser Menschenrechtsreports, so die Kritik einiger Leser:innen. Mehrfach wurden zudem die Zahlen bzw. mein Umgang mit diesen angezweifelt. In diesem Sinne habe ich erneut die ACLED-Statistiken genau angeschaut – zusammen mit mehreren aktuellen Menschenrechtsreports zum Sahel, unter anderem von Human Rights Watch, Amnesty International und der UN. Und das wiederum ist der Grund, weshalb ich in diesem Text auf vier Aspekte näher eingehen möchte:

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01.09.2023 | Zeitenwende im Sahel: Der Putsch in Niger und der Abzug aus Mali

Erschienen in: Blätter für deutsche und internationale Politik, September 2023

Noch vor wenigen Monaten schien es ruhiger um den Sahel geworden zu sein. Zuvor hatten mehrere westliche Länder beschlossen, aus der UN-Friedensmission MINUSMA in Mali auszusteigen, darunter auch Deutschland. Aus Berliner Regierungskreisen war sogar zu hören, dass der Sahel an Bedeutung verlieren würde, stattdessen sprachen Thinktanks davon, dass es nun darauf ankäme, die Region einzuhegen und ein Übergreifen der dschihadistischen Gewalt auf die Küstenländer zu vermeiden. Doch dann erfolgte ein spektakulärer Doppelschlag, der unmissverständlich in Erinnerung rief, dass der Sahel – ähnlich wie der gesamte afrikanische Kontinent – längst in eine fundamentale Transformationsphase eingetreten ist, samt weltpolitischer Implikationen.

Der Text ist hinter einer Paywall, bei Interesse bitte eine Mail an olafbernau@posteo.de schicken.

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August 2023 | Krise in Niger: Beiträge in den Medien anlässlich des Putsches in Niger

Anlässlich des Putsches in Niger hatte ich im Laufe des Augusts die Möglichkeit, in zahlreichen großen und kleinen Medien, Einschätzungen zur Lage in Niger bzw. im Sahel insgesamt zu formulieren. Einige der noch abrufbaren und/oder nicht-paywall-geschützten Beiträge seien an dieser Stelle stellvertretend verlinkt:

02. August: Niger-Experte: Russland liefert relativ großzügig Waffen (Deutschlandfunk Kultur): Nach dem Putsch im Niger sah man Menschen, die russische Fahnen schwenkten. Von einer Orchestrierung Russlands in dem Zusammenhang geht Niger-Kenner Olaf Bernau aber nicht aus. Allerdings mache Moskau dem Land ein gutes Angebot.

03. August: Niger: Die Hotspot-Strategie der EU schlug fehl (Neues Deutschland): In der Zustimmung zum Putsch drückt sich die Unzufriedenheit der nigrischen Bevölkerung mit der Destabilisierung des Landes aus.

05. August: Der Kolonialismus ist noch nicht vorbei (Deutschlandfunk): Warum wurde in Niger geputscht? Die Putschisten argumentieren mit der schlechten Sicherheits- und Wirtschaftslage. Die Probleme hätten auch mit den bis heute spürbaren Auswirkungen des Kolonialismus zu tun, sagt Westafrikaexperte Olaf Bernau.

29. August: Zeitenwende im Niger (Monatszeitung von medico international): Der Westen stellt sich gegen den Putsch im Niger. Die dortige Bevölkerung begrüßt ihn als antikolonialen Akt. Olaf Bernau erklärt warum.

03.07.2023 | Verschiedene Texte zum bevorstehenden Ende der UN-Friedensmission MINUSMA in Mali

Veröffentlicht auf Twitter & Facebook

Anlässlich des Endes der UN-Friedensmission MINUSMA in Mali sind in Europa zahlreiche Texte erschienen. Bemerkenswert ist, dass viele von ihnen – nicht aber alle – die Verdienste von MINUSMA hervorheben. Denn das war in den letzten Jahren nicht immer der Fall: Ob im Bundestag, in den Medien oder der Zivilgesellschaft – häufig wurde der Eindruck erweckt, dass MINUSMA ohnehin nichts ausrichten könne. Teile der Friedensbewegung gingen sogar so weit, dass sie ausgerechnet MINUSMA für die Vertiefung der Gewalteskalation in Mali bzw. im Sahel (mit-)verantwortlich machten. Gleichzeitig ist auffällig, dass die wenigsten Texte so etwas wie westliche Selbstkritik erkennen lassen, also die Perspektive der malischen Bevölkerung betrachten und somit auch die Gründe darstellen, weshalb immer mehr Menschen MINUSMA als weitgehend nutzlose (westliche) Intervention empfunden haben (einige der diesbezüglichen Gründe habe ich bereits vergangene Woche aufgeschrieben: https://bit.ly/3CPQOqF).

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01.07.2023 | Kurzkommentar: Wie das Ende der UN-Friedensmission MINUSMA und europäische Zustände zusammenhängen

Veröffentlicht auf Twitter & Facebook

Es gibt keine einfachen Kausalzusammenhänge, aber wenn in Mali eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung das Ende der UN-Friedensmission Minusma (leider) begrüßt, dann ist das eben auch ein fernes Echo darauf, dass in Frankreich (einmal mehr) die Vorstädte brennen, dass im Meer und in der Wüste tausende Migrant:innen sterben (weil es keine regulären Zugangswege nach Europa gibt) und dass in Deutschland ein Bericht veröffentlicht wird, wonach rund die Hälfte der Menschen antimuslimische Ressentiments hegt (ähnlich viel wie in Österreich und der Schweiz, aber rund 10 Prozent mehr als in Frankreich und England). Europa muss sich endlich ehrlich machen und seinen Teil der Verantwortung dafür benennen, dass immer mehr (junge) Menschen im Sahel (aber auch in vielen anderen afrikanischen Ländern) von (West-)Europa nichts mehr wissen möchte, vor allem nicht von dessen Menschenrechtsdiskursen. Denn Europa verfolgt Doppelstandards, was nicht nur die Situation innerhalb der EU oder an dessen Außengrenzen zeigt.

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23.06.2023 | Warum die UN-Friedensmission MINUSMA in Mali gute Arbeit geleistet hat und dennoch scheitern musste

Veröffentlicht auf Twitter & Facebook

Wer die politischen Debatten in Mali in den letzten Jahren verfolgt hat, konnte spätestens seit dem Sturz von Präsident Ibrahim Boubacar Keita im August 2020 ahnen, dass Mali früher oder später die Notbremse ziehen und die Kooperation mit der UN-Friedensmission Minusma aufkündigen würde. Denn die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Minusma ist seit 2014 kontinuierlich gewachsen – und dabei haben bereits früh viele jener Fragen eine maßgebliche Rolle gespielt, die Außenminister Abdoulaye Diop nunmehr im UN-Sicherheitsrat als Ausstiegsgründe genannt hat. Umso irritierender sind die Reaktionen, mit denen die Entscheidung auf westlicher Seite in den vergangenen Tagen kommentiert wurden. Denn die Verantwortung wird überwiegend auf der malischen Seite verortet, etliche Beobachter:innen meinen zudem, dass es sich bei der (zum aktuellen Zeitpunkt) unerwarteten Ankündigung um einen „souveränistischen“ Schachzug der aus einem Doppelputsch hervorgegangenen Übergangsregierung gehandelt habe, um die Bevölkerung für ein „Ja“ zum neuen Verfassungsentwurf zu gewinnen, über den vergangenen Sonntag in einem Referendum abgestimmt wurde.

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13.04.2023 | Zeitenwende in Mali. Die Putschregierung in Bamako genießt hohes Ansehen, auch außerhalb des Landes. Der Westen muss sein Vorgehen im Sahel völlig neu ausrichten.

Erschienen in der taz, 13.04.2023

Als die aus einem Doppelputsch hervorgegangene malische Übergangsregierung am 23. Februar in der UN-Vollversammlung die Verurteilung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ablehnte, war die Empörung groß. Der Bundeswehrverband forderte, dass Deutschland seine Beteiligung an der UN-Friedensmission Minusma in Mali beenden müsse, selbst im Auswärtigen Amt wuchsen die Zweifel. Das Abstimmungsverhalten schien bestens in das Bild einer wild gewordenen Militärjunta zu passen, die immer enger mit Russland kooperiert, die Kri­ti­ke­r:in­nen mundtot macht und die sich auf Konfrontationskurs mit dem Westen befindet.

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12.04.2023 | „Frankreich ist die Basis unserer Krise“. Für mehrere westliche Staaten ist Niger ein Stabilitätsanker in der Sahelregion. Doch die Bevölkerung vor Ort sieht die Westbindung eher als ein Problem.

Erschienen in der taz, 12.04.2023

NIAMEY/AGADEZ taz | Niger gilt derzeit als wichtigster demokratischer Stabilitätsanker im Sahel. Das Land kooperiert unter dem 2021 gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum eng mit westlichen Staaten. In Mali und Burkina Faso hingegen suchen die aus mehreren Militärputschen hervorgegangenen Übergangsregierungen immer offensiver den Schulterschluss mit Russland, jedenfalls im Rahmen des Antiterrorkampfes. Doch wer sich mit Menschen in Niger austauscht, bekommt ganz andere Töne zu hören. Allenthalben ist von Machtmissbrauch, Korruption und Straflosigkeit die Rede, vor allem das dominante Gebaren der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich wird massiv angeprangert.

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12.04.2023 | „La France est à la base de notre crise“. Pour plusieurs pays occidentaux, le Niger est une ancre de stabilité dans la région du Sahel. Mais la population locale voit plutôt l’ancrage occidental comme un problème.

Paru dans le taz, 12.04.2023 (Traduit par deepl.com.)

NIAMEY/AGADEZ taz | Le Niger est actuellement considéré comme le principal ancrage de stabilité démocratique dans le Sahel. Sous la direction du président Mohamed Bazoum, élu en 2021, le pays coopère étroitement avec les pays occidentaux. Au Mali et au Burkina Faso en revanche, les gouvernements de transition issus de plusieurs coups d’Etat militaires cherchent de plus en plus offensivement à s’allier à la Russie, en tout cas dans le cadre de la lutte antiterroriste. Mais si l’on s’entretient avec des Nigériens, on entend un tout autre son de cloche. Il est partout question d’abus de pouvoir, de corruption et d’impunité, et c’est surtout le comportement dominateur de l’ancienne puissance coloniale, la France, qui est massivement dénoncé.

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