„Wir sind da, wir stehen auf, wir gehen los.“ Soziale Bewegungen in Mali kämpfen um nicht weniger als die Macht

ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 578 / 21.12.2012

Anfang 2011 brach im Norden Malis ein Aufstand der Tuareg aus. Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Tuareg im Juni von islamistischen Milizen besiegt, die ihrerseits ein brutales Scharia-Regime errichtet haben. Gleichzeitig ringen in Bamako alte Eliten und soziale Bewegungen um die Macht. ak sprach mit Ousamane Diarra aus Bamako über die aktuelle Dreifachkrise.

Es heißt, dass der Putsch gegen den bisherigen Präsidenten Amadou Toumani Touré (ATT) am 22. März breite Unterstützung in der Bevölkerung gefunden hat. Kannst du das bestätigen?

Ousmane Diarra: Auf jeden Fall! Ich habe alte Mütterchen gesehen, die Salat und Tomaten auf dem Markt verkaufen, auch die haben sich riesig gefreut, dass ATT weg ist. Die Leute haben getanzt, überall wird diskutiert, was jetzt kommen wird. Das Land war im Chaos, aber den Politikern ging es nur darum, ihren Platz zu behaupten, um die eigenen Interessen zu bedienen. Trotzdem muss man berücksichtigen, dass sich nicht alle an den Aktionen und Versammlungen beteiligen können, einfach weil sie ums alltägliche Überleben kämpfen müssen, was heute länger dauert und schwieriger ist als früher.

Weiterlesen

Lokalradios contra Weltmarkt. Stichworte zur sozialen Situation in Mali

Beilage von Afrique-Europe-Interact in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (23. Dezember 2010)

Mali ist zweifelsohne eine der schillerndsten, ja paradoxesten Gesellschaften innerhalb Westafrikas. Einerseits zeichnet sich das Sahelland durch ein offenes politisches Klima mit zahlreichen Basisorganisationen, lokalen Selbstverwaltungsstrukturen und unabhängigen Medien aus – stellvertretend erwähnt sei etwa die riesige Zahl von 150 lokalen Radiosendern, mehr als in jedem anderen afrikanischen Land. Andererseits belegt Mali auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen den 178. und somit fünftletzten Platz: 33 Prozent der Kinder unter 5 Jahren sind unterernährt, gerade mal 50 Prozent der Menschen haben Zugang zu sauberem Trinkwasser, die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 53 Jahre, 75 Prozent der über 15-Jährigen können weder lesen noch schreiben. Die Verhältnisse sind mit anderen Worten komplex, sicherlich auch deshalb, weil interne und externe Faktoren eine für die große Mehrheit der Bevölkerung fatale Gemengelage bilden.

Weiterlesen

Mit dem Rücken zum Weltmarkt. IWF, Warlords und Rohstoffpreise treiben Elfenbeinküste in Ruin

Beilage des NoLager-Netzwerks in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (2. Februar 2007)

Jahrzehntelang galt die Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) als wirtschaftliche Perle Westafrikas. Dies hatte nicht nur mit ihrer bis heute unangefochtenen Spitzenstellung als weltweit größtem Kakaoproduzent zu tun. Genauso wichtig ist der Export weiterer Rohstoffe wie Kaffee, Kautschuk und Holz sowie der Umstand gewesen, dass es in vergleichsweise großem Umfang gelungen war, eine eigenständige Lebensmittel-, Textil- und Chemieindustrie aufzubauen. So erklärt es sich auch, weshalb seit den 1970er Jahren mehrere Millionen ArbeitsmigrantInnen größtenteils aus Burkina Faso und Mali in die Elfenbeinküste eingewandert sind – insbesondere um in der überwiegend kleinbäuerlich strukturierten Kakao-Produktion ein Auskommen zu finden. Allein: 2002 ist das Land in einen grausamen Bürgerkrieg abgeglitten, wie bereits in den 1990er Jahren die Nachbarländer Sierra Leone und Liberia: Mehrere tausend Menschen sind seitdem getötet worden, über 500.000 wurden außer Landes vertrieben, etwa 1 Millionen befinden sich innerhalb der Elfenbeinküste auf der Flucht. Auslöser der Kämpfe ist das bis heute hartnäckige Bestreben der Regierung, nicht nur EinwanderInnen, sondern auch etlichen der im Norden des Landes lebenden IvorerInnen das Wahlrecht vorzuenthalten. Letzteren mit dem historisch aberwitzigen Argument, dass ihre Vorfahren ursprünglich in das Gebiet der heutigen Elfenbeinküste eingewandert seien und folglich nicht als echte IvorerInnen in Betracht kämen.

Weiterlesen

Vielfach gespalten. Togos Gesellschaft im Spiegel der jüngeren Geschichte

Beilage des NoLager-Netzwerks in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (6. April 2006)

1960 erlangte die französische Kolonie Togo ihre Unabhängigkeit. Bereits drei Jahre später wurde Sylvanus Olympio, der erste demokratisch gewählte Präsident, während eines Putsches ermordet. Es soll General Gnassingbé Eyadéma gewesen sein, der die Schüsse abgegeben hat. Vier Jahre später übernahm Eyadéma selbst die Macht und errichtete eine ebenso skrupellose wie äußerst gewalttätige Militärdiktatur. Anfang der 1990er Jahre sah er sich unter dem Druck einer erstarkenden Demokratiebewegung erstmals zu Zugeständnissen gezwungen: Das Einparteiensystem wurde abgeschafft, freie Wahlen ausgerufen und eine neue Verfassung per Referendum verabschiedet. Eyadéma war jedoch nicht bereit, die Macht wirklich abzugeben. Er provozierte vielmehr Auseinandersetzungen und beendete das demokratische Experiment auf brachiale Weise; dem konnte noch nicht einmal ein neunmonatiger Generalstreik etwas entgegensetzen. Sämtliche der seit 1993 durchgeführten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sind reine Alibiveranstaltungen gewesen, begleitet von immer neuen Gewaltexzessen der Sicherheitskräfte, meist mit Hunderten von Toten.

Weiterlesen

Tanz mit der Diktatur. Keine Konsequenzen aus Terror in Togo. Auswärtiges Amt zunehmend unter Druck

Beilage des NoLager-Netzwerks in der bundesweiten Ausgabe der tageszeitung taz (6. April 2006)

Ist von Togo die Rede, herrscht hierzulande weitgehende Einmütigkeit. Kaum jemand bestreitet ernsthaft, dass es sich bei dem westafrikanischen Land um eine Diktatur, ja um eine autokratische Dynastie handelt. Konkret heißt das: Systematischer Wahlbetrug, weitgehende Einschränkung der Presse- und Versammlungsfreiheit sowie hemmungslose Bereicherung des Eyadéma-Clans, jener Familie, die Togo seit über 40 Jahren fest im Griff hält. Besonders dramatisch ist die Menschenrechtssituation. Sie ist gezeichnet durch das Terrorregime, mit dem Militär, Polizei und Milizen der Regierungspartei RPT die Bevölkerung seit 1967 systematisch drangsalieren. Hierzu gehören Folter, willkürliche Festnahmen, nächtliche Überfälle auf die Häuser von Oppositionellen, Vergewaltigungen, Erschießungen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Sämtliche dieser Fakten sind hinlänglich bekannt. Nichtsdestotrotz finden regelmäßig Abschiebungen nach Togo statt. Zukünftig sollen sogar all jene Flüchtlinge verstärkt abgeschoben werden, deren Asylverfahren zwar negativ verlaufen sind, die jedoch auf Grund der angespannten Situation in Togo immer wieder neue Duldungen erhalten haben, manche von ihnen seit über 10 Jahren. Hierzu passt, dass Ende April eine Togo-Sammelabschiebung per Charterflug ab Hamburg geplant ist – womöglich nur als Auftakt einer größeren Togo-Abschiebewelle.

Weiterlesen
1 2 3